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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Wein nach.
    Der Prediger runzelte strafend die Stirn. »Heidnischer Unsinn.«
    Columba stieß einen verächtlichen Laut aus.
    »Wem galt das?« flüsterte Birckmann in ihr Ohr. »Dem Engel oder Gottes ehernem Statthalter hier neben uns?«
    Columbas Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Ich verachte weder Engel noch die wahren Statthalter des Herrn«, gab sie leise zurück, »aber ich denke nicht, daß sie in diesem Moment unter uns sind.«
    Birckmann schüttelte warnend den Kopf.
    Don Cristobal lauschte dem Lautenspiel mäßig entzückt, seine Augen schweiften durch den Festsaal. Er taxierte mit dem geübten Blick des Finanzsekretärs und Steuereintreibers den Wert der flämischen Teppiche, die die Wände schmückten. Er schätzte das Gewicht des Silbers, auf dem serviert wurde, und prüfte die Ringe, die an den Händen seines Tischnachbarn funkelten. Van Geldern war seiner Beachtung wert.
    »Ein würdiges Fest«, bemerkte er huldvoll und nickte dem Kaufherrn anerkennend zu.
    »Ehre, wem Ehre gebührt, geehrter Don Cristobal. Es gilt alles nur Euch.«
    »Oh, ich bin nur ein bescheidener Diener Seiner Majestät König Philipp und nehme diese Auszeichnung in seinem Namen an. Es würde ihn gewiß erheitern in einer so düsteren Zeit wie dieser.«
    Van Geldern verstand, nun wollte Castellanos zu den eigentlichen Themen kommen.
    »Hattet Ihr kürzlich Nachricht vom spanischen Hofe?« fragte der Kaufmann in leichtem Ton.
    Castellanos senkte die Stimme, um zu antworten. »Ihr wißt, daß unseren Truppen im vergangenen September ein vernichtender Schlag gegen die Türken auf Malta gelang.«
    Van Geldern nickte. »In letzter Minute, so heißt es.«
    Mit einem Anflug von Ärger straffte der Grande seine Schreibtischschultern. »Müßiges Geschwätz. Man wirft Philipp gerne vor, er sei ein Zauderer, der nichts zur rechten Zeit erledige und zuviel Akten verfasse. Einige Höflinge, die die Neue Welt verwalten, scherzen sogar, daß sie mehr als hundert Jahre alt würden, wenn der Tod aus Philipps Spanien käme.« Er hielt inne, um die Reaktion seines Gegenübers abzuwarten.
    »Welch ein böser Scherz.«
    »Ihr sagt es. Philipp ist kein lauer Träumer. Vom Lächeln bis zum Dolch ist es bei ihm nur die Breite eines Messerrückens.« Cristobal pausierte, um seine Worte wirken zu lassen. Als Mann der Feder drohte er gern mit der scharfen Lanze seines Herrn. Der Kaufmann sollte wissen, wie schwankend die Gunst seines Königs war. Dann fuhr er fort: »Der Sieg von Malta straft seine Spötter Lügen. Ihm fehlte nur das Geld für die Galeeren, sonst hätte er früher zugeschlagen, sonst hätte er auch längst Truppen in die aufrührerischen Niederlande entsandt. Es fehlt ihm nicht an ritterlichem Mut, nur an dem elenden Geld.«
    Der Grande schwieg, van Geldern wartete. Man mußte seinen Gesprächspartnern genügend Zeit lassen, sich zu äußern, dann würden sie ihre wahren Absichten verraten und ihre Zinsangebote auf Geldanleihen nicht zu niedrig gestalten. Doch der Grande war keine leichte Beute. Er umtänzelte sein Thema weiter wie ein Degenfechter, der die elegante Klingenführung dem Zustoßen vorzieht.
    »Freilich war es nicht nur das Geld, das Philipp fehlte. Der Mangel an kampfwilligen Matrosen hinderte ihn. Alle seetüchtigen Männer drängt es auf die Kauffahrteischiffe nach den Kolonien – diese elende Gier nach Gold.« Er schüttelte tadelnd den Kopf. »Der König mußte schließlich den Katalog strafwürdiger Taten ordentlich erweitern, um genügend Ruderer für die Galeeren aufzubringen.«
    »Philipp ist ein weiser Mann.«
    »Und ein siegreicher. Doch was hilft es? Nun haben wir Nachricht, daß Sultan Sulaiman einen erneuten Angriff plant.« Der Grande blickte sich verstohlen um, senkte seine Stimme weiter, um die Wichtigkeit seiner Mitteilung zu unterstreichen. »Es soll gegen Österreich gehen. Schon einmal standen die Türken vor Wien, ihr wißt, wie gefährlich das ist.«
    »Vor allem, wenn man die Unruhen in den Niederlanden mit einrechnet«, warf van Geldern wie fragend ein. Die Lage im Nachbarland war es, was ihn interessierte. Sollten die Türken nur kommen. Hauptsache, die Handelsplätze an der Scheide blieben vom Krieg verschont.
    Der Finanzsekretär der Niederlande schien zu verstehen. »Macht Euch darum nicht mehr Sorgen als Philipp selbst. Die Zeit ist sein Acker, sagt er. Er läßt sich nicht drängen. Die Türken freilich ...« Weiter malte er die Gefahr aus.
    Van Geldern tat, als ob er lausche,

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