Die Voegel der Finsternis
auf Fortunas Rücken - die beiden waren es gewohnt, so zu schlafen. Dann breitete er die Decken aus und streckte sich neben Sara und Dorjan aus. Er hörte Dorjan noch sagen: „Denk beim Einschlafen an Maeve." Jasper deckte seine Augen mit einem Zipfel der Decke zu und konzentrierte sich auf Maeve.
Sara spürte Dorjans warmen Atem, als er in ihr Ohr flüsterte: Er ist schon eingeschlafen." „Ja", murmelte sie und legte einen Arm um ihn. „Du hast es geschafft, Dorjan. Wir sind an Land." „Das beste am Land war das Trinkwasser." „Ich verdanke dir mein Leben." „Nichts verdankst du mir."
„Hast du die Reise gut überstanden? Wirst du es wieder schaffen?"
Dorjan antwortete nicht. Er lag auf dem Rücken, holte den Traumwenstein hervor, rollte ihn in seinen schlanken Fingern und glättete das feuchte Tuch, in das er eingewickelt war.
„Er sieht ganz gewöhnlich aus", sagte Sara. „Aber er fühlt sich nicht gewöhnlich an." Er reichte ihn ihr. „Wenn ich ihn anfasse, spüre ich die Welt der Träume." Sie wog ihn leicht von Hand zu Hand, legte ihn an ihr Ohr und sah ihn sich genau an. Ein glatter, brauner Stein von der Größe ihres Handballen. Sie gab ihn Dorjan zurück. „Wenn ich ihn anfasse, erinnere ich mich an den Kampf mit dem schwarzen Vogel und möchte wieder gegen ihn kämpfen." „Das ist, weil du ein Firaner bist" Sein lächeln blitzte auf. „Denk daran, der Traumwenstein verstärkt die Gaben desjenigen, der ihn besitzt" Sara sah sich um. Selbst der Himmel sah hier fremd aus.
Sie schloss die Augen.
22
Als Maeve erwachte, war ihr im ersten Moment, als sei sie noch immer auf dem Strand, von dem sie geträumt hatte. Doch dann merkte sie, dass sie auf einem harten Fußboden lag, in einem Raum, wo weder Lampen noch Kerzen die frostige Kälte vertrieben. Sie hörte schweres Atmen und Stöhnen, konnte aber nichts sehen. „Wer ist da?", fragte sie.
„Maeve?" Das war Orlos Stimme! „,Ja, Orlo. Ich bin's."
„Maeve! Ich dachte, ich hätte etwas gehört, aber ich kann mich nicht bewegen."
Sein Atem pfiff wie der Dampf aus einem zersprungenen Kessel. „Warte, ich helfe dir."
„Maeve, wie kannst du mir helfen? Ich habe dich ihnen ausgeliefert."
„Das warst nicht du, Orlo, das weiß ich. Lord Morlen hat etwas mit dir gemacht..."
„Ja . .. er hat mich mitgenommen. Hat mir meine Seele genommen. Vahss. Sieh dich vor, dass er dir nichts davon gibt"
Sic verstand nicht, was er meinte. Sie tastete sich zu ihm und berührte sanft sein Gesicht. Die Kälte, die sie auf dem Pier gespürt hatte, war von ihm gewichen. Und sie spürte neben Tränen noch etwas anderes auf seinem Gesicht „Blut?"
„Er hat mich innerlich verletzt, Maeve", stöhnte Orlo. Sie legte ihre Hände auf seine Brust. „Schsch." „Lass mich sterben, lass mich sterben, ich möchte fort von dieser gottverlassenen Welt. Es tut mir Leid, Maeve, es tut mir so Leid. Du warst wie eine Tochter für mich, und nun sieh, wohin du wegen mir geraten bist." „Nicht wegen dir, Orlo."
„Wir sind in seinem Haus. Er wird bald hier sein." Sie summte leise. Auch wenn sie den Traumwenstein nicht mehr hatte, seine Melodie wollte ihr nicht aus dem Kopf.
Orlos pfeifender Atem wurde ruhiger. „Lass dir von ihnen kein Vahss geben." Seine Brust hob und senkte sich unter ihren Händen. „Ich wusste nicht, dass du singen kannst, Maeve . . , was für eine herrliche Melodie. Ich komme mir fast vor wie im Himmel, wenn ich dir zuhöre."
Als Orlo einschlief, blieb sie bei ihm und sang weiter. Wie ruhig er war, selbst seine Brust war ganz still. Maeve unterbrach ihren Gesang und legte ihr Ohr an seinen Mund. Er atmete nicht mehr.
Sie schüttelte ihn nicht und sie schrie auch nicht. Sie zog nur ihre zitternden Hände fort und presste sie aneinander, um sie zu beruhigen. Auch ihr übriger Körper begann zu zittern wie das Herbstlaub, das sie auf ihrer Reise nach Mantedi gesehen hatte, zerbrechlich und dürr und schon bald eins mit dem kalten Erdboden. Was sollte sie tun, wenn Lord Morlen kam? Sie wollte Orlo etwas sagen, wollte, dass er sie hört. Aber er war fort. Wenigstens musste er nun nicht mehr Lord Morlen gegenübertreten.
„Auf Wiedersehen, Orlo", sagte sie, „auf Wiedersehen." Sie kroch in eine Ecke und flüsterte hektisch vor sich hin. Sie durfte nicht an seinen Tod denken, sonst würde sie auch an Lila, ihre Mutter, denken müssen, die auch tot war und deren Hoffnung begraben war wie ihr blaues Kleid im Wald von Lord Hering. Sie durfte sich
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