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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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sein starrer Blick, stählern und scharf. „Ihr habt gesagt, Ihr würdet mich loslassen", keuchte sie.
    Er löste seine Hände, aber sie spürte sie immer noch auf ihrem Kopf. Sie wollte ihr Gesicht berühren, aber ihre Arme bewegten sich nicht. Und es gelang ihr auch nicht, ihren Blick von ihm abzuwenden. Seine Augen zogen sie herab, immer tiefer in die Schatten herein. Sie fiel und fiel und konnte nichts mehr um sich erkennen. Eisige Kälte füllte sie aus. Sie hörte noch immer seine Stimme. „Du solltest akzeptieren, was geschieht, Maeve. Und ich habe einige Fragen an dich, meine Liebe."
    Sie beschwor Stücke ihrer Erinnerung herauf, um sich daran festzuhalten, die Blumen und Düfte der spätsommerlichen Wiesen, die Stimme ihrer Mutter, Devins Gesicht, Jaspers warme Hände - selbst den Hof des Badehauses, wo sie sich gesonnt hatte. „,Ja, Maeve. Zeig mir alle deine Erinnerungen. Je mehr du mir zeigst, desto mehr weiß ich von dir." Ihm zeigen? Konnte er denn sehen, woran sie dachte? „Du glaubst immer noch, du könntest mir ausweichen? Das ist nur eine dumme Einbildung, Maeve. Das kannst du nicht Übrigens wollte ich dich fragen: Wie hast du es fertig gebracht, mich nicht in deine Träume zu lassen?" Der Traumwenstein. Nein, sie durfte nicht daran denken. An alles, nur nicht daran. Sie konzentrierte sich auf Lila, auf jede einzelne Narbe im Gesicht ihrer toten Mutter. Ihr konnte Lord Morlen nichts mehr anhaben.
    „Schlau, mir das Gesicht einer Toten zu zeigen. Schlau, aber nicht schlau genug. Der Traumwenstein? In all den Jahren versteckt und du hast ihn besessen? Erzähl mir, wo er ist."
    Sie klammerte sich an das Bild ihrer Mutter, aber es war, als würde Lord Morlen ihren Geist entblättern und ihre geheimsten Gedanken enthüllen. Er schnalzte mit der Zunge. „Aber, aber, was hast du getan? Den größten Schatz der Traumwen fortgeworfen. Macht nichts. Wenn du ein Ebrowen geworden bist, werden wir den Stein gemeinsam heben." Ich werde niemals ein Ebrowen sein.
    Obwohl ihre Lippen jedes Wort verweigerten, antwortete er, als ob sie gesprochen hätte. „Nun, nun. Du weißt nicht, was das Schicksal dir bestimmt hat Du bist ein Traumwen. Das bedeutet, du kannst auch ein Ebrowen werden und mit der Macht eines Ebrowen höchste Höhen erklimmen." Traumwen. „ Der Enkel des letzten großen Traumwen, der einzige Sohn einer einzigen Tochter. . . das bedeutet, Maeve, dass du vielleicht ein Traumwen bist. " Sie hatte wissen wollen, ob sie ein Traumwen war, aber nicht von ihm, niemals aus seinem Mund.
    Er lachte leise an ihrem Ohr. „Ja. Erzähl mir von deiner
    Familie. Ich will alles von dir wissen."
    Von Panik erfasst versuchte Maeve, ihre Gedanken zu
    verbergen, aber wohin sie sie auch lenkte, Morlen war
    ihr immer auf der Spur. „Ein Vater über dem Meer ...vielleicht auch einen Bruder!"
    Mutter, Mutter. Hilf mir. Nimm mich weg von hier.
    Morlen fuhr fort. „Sieh durch meine Augen, Maeve. Du
    sollst einen Geschmack davon bekommen, was es heißt,
    ein Ebrowen zu sein."
    Entsetzt bemerkte Maeve, wie ihr Blick durch den seinen ersetzt wurde. Sie versuchte, sich zu wehren, nicht dorthin zu sehen, wohin er es wollte, doch es war so vergeblich, als wollte sie ein totes Blatt davor bewahren, vom Wind davongetragen zu werden. Ihr Bewusstsein erweiterte sich plötzlich und wurde nach oben getragen, über Mantedi hinaus. Sie sah die von der Stadtmauer eingezwängten Straßen und Häuser. Das Gewirr der ärmlichen Gassen, den trägen Fluss von Menschen und Tieren. Immer höher wirbelte sie, über die Bucht und noch weiter, wo die Wellen gegen den Horizont brandeten. Dann rasten sie und Morlen über das Minwendameer.
    Augenblicke später hatten sie die Küste eines Landes im Osten erreicht, wo breite Strände das Wasser säumten. Ein Marmorpalast wuchs am Ufer empor, die Umrisse seiner Türme und Fenster flimmerten, ebenso die friedliche Bucht, an der er stand. Glavenrell?
    „Bellandra", antwortete Morlen. Er führte sie in ein prächtiges Zimmer, wo die Strahlen der Sonne wie Pfeile über samtige Bettdecken schössen. Ein Mann und eine Frau ruhten in dem Bett. Das edle Antlitz des Mannes war schmal und still, die rothaarige Frau hielt seine Hand, ihre Augen flatterten fiebrig. Ein Soldat mit narbigem Gesicht stand bei ihnen. In seinen tränenlosen Augen las Maeve tiefe Trauer. Sie begriff, dass er sie und Morlen nicht sehen konnte.
    „Der König und die Königin von Bellandra", erklärte Morlen. „Sie haben nicht mehr

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