Die Voegel der Finsternis
wenig wie für den Verlust von Ellowen Renaiya. Trotzdem machten sie weiter und hielten ihren Unterricht und ihre Übungen ab. Die Draden sorgten für die Mahlzeiten und hielten alles peinlich sauber. Ein paar Schüler waren abgereist, aber kein einziger Lowen, obwohl viele über Albträume klagten.
Die Kranken begaben sich immer noch ins Krankenhaus. Viele wurden erstaunlich schnell wieder gesund - vor allem die, die von Lowen Camber behandelt wurden. Die Kräuter, die sie ihnen verabreichte, milderten ihre Schmerzen, schwächten jedoch unmerklich ihr Gen. Nun war sie auf dem Weg zum Palast von Bellandra, um König Landen und Königin Torina, die beide von einer rätselhaften Krankheit befallen waren, eine spezielle „Medizin" zu bringen. Bern lächelte in sich hinein.
Jede Nacht hatte er das Grenzhaus aufgesucht und sich an dem langsamen Verfall des silbernen Schleiers ergötzt. In dieser Nacht war Vollmond. Bis zum Morgen
würde das Grenzhaus unwiederbringlich zerstört sein. Die Kräfte der körperlichen Welt würden auf den Schattenkönig übergehen - die Burg der Heiler würde zusammenstürzen und eine neue Herrschaft anbrechen.
Bern stand vor den Stufen des Grenzhauses und murmelte den Zauberspruch, der den schwarzen Unsichtbarkeitszauber aufhob. Dann stieg er hinauf.
Sara warf sich auf Maeve, entschlossen, ihr den Traumwenstein zu entreißen. „Du lügst!", schrie sie und sah zu den Klippen zurück, wo der verletzte Ebe matt mit den Flügeln schlug. „Du hast nie einen Tezzarin gesehen. Du weißt nicht, wie sie aussehen." „Er hat mich berührt. Deshalb weiß ich es — ich weiß nicht warum, aber es ist wahr." Maeve kauerte am Boden und schützte den Traumwenstein mit ihrem Körper. „Das kann nicht wahr sein!" Die Vorstellung, der Ebe könnte entkommen und sie weiter in ihren Träumen verfolgen, war Sara unerträglich. „Gib mir den Stein oder ich nehme ihn mir mit Gewalt." Sie rang mit Maeve, bis plötzlich starke Hände sie von hinten packten und hochzogen. Als sie sich umdrehte, sah sie Dorjan. „Es ist wahr, Sara", sagte er und zeigte zu dem Ebe. Ihr war, als hätte der Ebe seine scharfen Krallen in ihre Brust geschlagen. „Du wusstest es?" „Nein. Ich hatte geglaubt, es seien Feinde." „Es sind Feinde!"
„Ja. Und nein. Du sagtest, du würdest alles dafür geben, noch einmal einen Tezzarin zu sehen." Er zeigte auf den unheimlichen Vogel. „Dort. Das ist alles, was von dem Tezzarin übrig geblieben ist." Sie verabscheute die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen: Wenn diese Kreatur wirklich ein Tezzarin war, der vom Schattenkönig versklavt und dessen Seele vergiftet worden war, eignete sich niemand besser dafür, die Träume derer heimzusuchen, die die Gaben des Heilens besaßen, als dieser Vogel. Wenn er wirklich gefangen worden war, wie Dorjan und Maeve behaupteten, war er vielleicht eben jener Tezzarin, dessen Zauberschutz sie zerstört hatte.
Nein. Sie mussten sich irren. Sie war kurz davor gewesen, ihn zu besiegen, und sie hatten ihr den Sieg einfach gestohlen. Wenn Maeve ihr wie versprochen beigestanden hätte, wäre der Ebe jetzt tot. Und selbst wenn der schwarze Vogel einmal ein Tezzarin gewesen war, nun war er ein Ebe.
Unwillkürlich ging ihr ein Vers der Traumwensage durch den Kopf:
Wenn die Wahrheit dich schmerzt,
Wenn du sie hasst und verhöhnst. . .
Ihr Zorn verwandelte sich plötzlich in Beschämung. Wie sehr musste Dorjan sie verachten. „Es tut mir Leid", sagte sie.
„Sara", sagte er sanft, „du konntest es nicht wissen. Ich wusste es nicht. Keiner von uns wusste es." „Wo warst du?", flüsterte sie.
„Ich werde dir alles erzählen, das verspreche ich dir. Aber erst müssen wir etwas Dringendes erledigen. Du, Maeve und ich - wir müssen zum Grenzhaus in der Burg der Heiler." „Zum Grenzhaus?" „Bern hat..."
„Schaut!", unterbrach ihn Maeve und sprang auf. Auf den Klippen, neben dem gefallenen Ebe, war eine große, kräftige Gestalt aufgetaucht. Sie rannte mit beängstigender Schnelligkeit auf sie zu. Es war Lord Morlen.
„Wollt ihr mit mir kommen?", schrie Dorjan. „
Ja!"
Ein heftiger Wind kam auf, der Sara ergriff und sie schüttelte, bis sie auf etwas Hartem aufprallte. Da war kein Wind mehr. Sie befand sich in einem kreisrunden Raum.
Sie war hellwach und atmete schwer. Durch bunte Glasfenster fiel das Mondlicht auf einen reliefartigen Boden. Mit der Hand tastete sie die Form eines Schwerts, die in den Marmor geschnitten war. Irgendwie kam es
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