Die Vogelfrau - Roman
schnaufte rhythmisch.
»Der da?« Gräber legte alle Verachtung, deren er fähig war, in seine Stimme. »Der Köter ist so neurotisch, der ist niemandem zuzumuten. Der wäre auch im Tierheim nicht mehr vermittelbar. Ach, was rede ich mir hier den Mund fusselig – der Köter muss weg, das ist mein letztes Wort. Und wenn die Löble sich morgen früh nicht darum kümmert, werde ich ihn eigenhändig ...«
»Schon gut. Wissen Sie was? Ich nehme ihn mit. Ich habe mir schon lange einen Hund gewünscht. Und ein Mops nimmt ja auch nicht viel Platz weg.«
Gräbers Gesicht entspannte sich. Dann grinste er ein wahrhaft diabolisches Grinsen.
»Na dann, Herr Kommissar. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen. Aber sagen Sie nicht, dass ich Sie nicht gewarnt hätte. – Nichts für ungut, aber jetzt will ich endlich nach Hause. Das war heute ein elend langer Tag.«
14. Kapitel
Kommissar Bloch sah auf Cenks ausführlichen Bericht. Es fiel ihm sehr schwer sich zu konzentrieren, denn die Nacht war kurz und unruhig gewesen.
Churchill war mit ihm ins Bett gegangen, als ob das eine absolute Selbstverständlichkeit sei. Wahrscheinlich hatte Erich Bloch in diesem Augenblick der Schwäche einen nicht wieder gutzumachenden pädagogischen Fehler gemacht.
Der Hund erwies sich jedenfalls als sperriger und schlecht riechender Bettgenosse. Außerdem schnarchte er viel zu laut. Bloch, der die meiste Zeit seines Lebens alleine geschlafen hatte, fühlte sich nachhaltig gestört. Immer wieder hatte er gegen das stoische Fellbündel neben sich geknufft und versucht, es wenigstens zum Fußende zu befördern. Der einzige Erfolg war jedoch gewesen, dass sich der Hund mit einem jaulenden Seufzen auf den Rücken legte, sich lang ausstreckte, die Pfoten anwinkelte und mit weit offenem Rachen lauter schnarchte als zuvor.
Pünktlich um halb sechs erhob er sich mit den behäbigen Bewegungen eines übergewichtigen Trolls, fuhr dem endlich tief schlafenden Bloch mit seiner heißen, feuchten Zunge quer über das Gesicht und erwartete, nach draußen geführt zu werden. Es war noch dunkel gewesen, sodass Churchill sein Geschäft unbeobachtet von der Nachbarschaft erledigen konnte. Er würde sich eine Rolle dieser kackfarbenen, dünnen Plastikbeutel zulegen. Wenigstens schien Churchill beim Fressen nicht übertrieben wählerisch zu sein. Bloch war es nämlich im Supermarkt angesichts der Auswahl an bunten Dosen fast schwindelig geworden. Die Variabilität der Mixturen von Fleisch- und Knorpelanteilen unter Zusatz von künstlichen Vitaminen und essentiellen Fettsäuren war atemberaubend. Sicher war das Zeug sehr gesund und unter gewissen geschmackstechnischen Anpassungsleistungen auch für die Junggesellenküche geeignet.
Auch Cenk machte Stress für sich geltend, war er doch am Nachmittag bis nach Rottweil gefahren und hatte danach alle Ergebnisse seiner Recherche daheim in den Laptop gehackt.
»Kaffee, Chef?«
»Wäre nicht schlecht.«
Bloch raschelte entschlusslos mit dem Papier. Churchill lag neben der Tür und atmete laut.
»Wie kommt der denn hierher?« Cenk nickte in Richtung Tür.
»Ist eine längere Geschichte.«
»Na dann.«
Eine von Cenks angenehmen Eigenschaften war, dass er einen Blick fürs Wesentliche besaß. Er ging Kaffee holen.
Der vorläufige Laborbericht der Spurensicherung lag zuoberst. Am Griff der Feuersteinaxt hatten sich lediglich zwei verwischte Fingerabdrücke gefunden. Sie waren kaum verwertbar. Noch nicht einmal ihre Größe gab einen klaren Hinweis. ›Es könnte sich sowohl um eine zierliche Männerhand als auch um eine kräftige Frauenhand handeln‹, stand dort. Schon gestern hatten sie von der Löble und von Gräber die Fingerabdrücke genommen. Ob eine Zuordnung zu den Tatortspuren möglich war, stand in den Sternen. Die Erfahrung zeigte jedoch, dass man sich auf keinen Fall allzu große Hoffnungen machen durfte. Weitere biologische Spuren hatten sich, abgesehen vom Blut des Opfers, nicht gefunden.
Cenk öffnete die Tür mit dem Ellenbogen. Er trug zwei große Becher und sofort erfüllte Kaffeeduft den Raum. »Hat man eigentlich der Löble und dem Gräber die Fingernägel geschnitten?«, murmelte Bloch, mehr zu sich selbst, während er vorsichtig an dem heißen Gebräu nippte und gleichzeitig mit einer Hand Papierblätter auf verschiedene Stapel legte.
»Keine Ahnung, Chef, aber eigentlich müsste das schon längst passiert sein. Ist ja Routine. Dieser fusselige Pullover von der Löble, wissen Sie, dieses
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