Die Vogelfrau - Roman
der Abteilung sind schon unterwegs.«
»Und die Luminol-Untersuchung?«
»Kommt noch. Da sind momentan die Kollegen von der Spurensicherung dran. Die Gerichtsmediziner waren ja so entgegenkommend, dass sie den Hoffmann bereits gestern obduziert haben. Für den kurzen Zeitraum haben wir doch schon einiges an Material zusammen, oder?«
Das stimmte wohl. Das meiste Material war von Cenk. Was hatte er, Bloch, eigentlich dazu beigetragen? Rückblickend schien es ihm, er habe die meiste Zeit sinnlos vor einer Telefonzelle gewartet oder einen schweren Hundekörper herumgehievt.
»Was haben Sie denn in Rottweil getrieben, Cenk?« Bloch klopfte auf den Papierstapel. Das oberste Blatt war ein Computerausdruck. ›www.native-indians.org‹, stand darauf.
»Na ja. Ich habe getan, was Sie wollten, und recherchiert, ob es hier in der Region Indianer gibt.«
»Und? Sind Sie fündig geworden?«
»Und ob. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es gibt tatsächlich einige Indianergruppen hier.«
»Seltsame Art von Brauchtumspflege, finden Sie nicht auch?«
»Kommt ganz drauf an, wo einer seine Wurzeln hat. Oder wo man meint, seine Wurzeln zu haben. Wenn ein gestandener Schwabe denkt, er müsse jetzt wie ein kleiner Junge Indianer spielen, dann macht er das so, wie Schwaben eben die Dinge des Lebens anpacken. Nämlich absolut gründlich!«
»Ha noi ...«, ironisierte Bloch im Dialekt. »Das sind ja wohl nicht alles Schwaben, die Sie da gefunden haben, oder?«
»Nein, da haben Sie recht, es sind total unterschiedliche Gruppen. Für einige ist das Ganze so etwas Ähnliches wie ein Fasnachtsverein, aber da sind auch noch ein paar andere Zeitgenossen, die erfüllen sich mehr als nur einen Bubentraum. Die wollen wirklich ganz anders leben – wilder, freier, direkt in der Natur ... Meiner Meinung nach sind das echte Aussteiger. Die machen es dann aber auch richtig: Kleider, Schmuck, Ernährung. Da ist alles aufs Indianderleben abgestimmt. Ist schon irre.«
Cenk bekam so einen speziellen Blick.
»Da könnt man schon neidisch werden, gell?«
Cenks Blick kehrte zurück.
»Man muss das ja mal realistisch sehen. Allein so ein richtiges Indianerzelt ist doch ziemlich teuer. Ich meine ein großes Tipi, in dem man mit der ganzen Familie leben kann. Aber die meisten von denen arbeiten offensichtlich nur gerade so viel, dass sie einigermaßen über die Runden kommen. Mit ihrem Indianerleben befinden die sich meiner Meinung nach in einer Art Parallelwelt.«
»Familie – Sie sagten eben Familie, Cenk. Sind denn da auch Kinder dabei?«
»Ehrlich gesagt, ich habe keine gesehen, aber vorstellen könnte ich mir es schon.«
»Und was ist, wenn die mal mit der ganzen Familie rüber wollen nach Amerika zu den richtigen Indianern? Das geht doch ziemlich ins Geld. Können die sich denn so was leisten?«
»Wissen Sie, Chef, ich habe nicht den Eindruck, dass die den Kontakt mit echten Indianern wünschen. Die sitzen doch heutzutage auch nur in ihren total abgewrackten Reservaten herum und saufen. Da würden unseren europäischen Wohlstandsindianern wohl zu viele Illusionen flöten gehen. Nein, die bleiben lieber daheim im Schwarzwald oder im Hegau oder auf der Schwäbischen Alb und spielen dort ihre Indianerspiele. Ich habe nur zwei gefunden, die regelmäßig über den großen Teich fliegen. Der eine bietet drüben so eine Art Überlebenstraining für Manager an und der andere sammelt Geld für ein Indianer-Hilfsprojekt. Diese beiden bringen uns in unserem aktuellen Fall auch nicht weiter. – Ich habe dann aber noch einen anderen Typen gefunden, der wohnt in Rottweil und wusste mehr. Steht alles im Bericht.« Cenk tippte auf den Papierstapel. »Tschuldigung wegen der vielen Tippfehler. Aber gestern ist es wirklich sehr spät geworden.«
Kommissar Bloch wurde das Gefühl nicht los, dass die Ermittlungen sich auf Nebengleisen verzettelten.
Um welche Frage ging es eigentlich?
Was hatten Indianer am Bodensee zu suchen?
Und überhaupt, in welcher Verbindung standen die Indianer mit heidnischen Hexenkulten? Gab es eine solche Verbindung überhaupt? War das Ganze nicht zu weit entfernt von der Polizeiarbeit? Kommissar Bloch fühlte sich ausgesprochen inkompetent, was Indianer und Hexen anging.
»Wieso eigentlich Rottweil? Ist das nicht ein bisschen arg weit weg, Cenk?«
»Der Typ dort nennt sich Wau-pee, das heißt
weißer Falke
. Er lebt das ganze Jahr über in einem Tipi und bietet Selbsterfahrungskurse an. Irgend so ein
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