Die Vogelfrau - Roman
inzwischen hier in Konstanz – die Knochen haben lediglich andere Inventarnummern bekommen. Ich habe sogar noch die Listen. Man könnte alles wieder rückgängig machen.«
Sie lachte kurz. Es klang wie Husten.
Bloch hatte alles mitgeschrieben.
»Frau Löble, Sie müssen mir verzeihen – manchmal bin ich etwas schwer von Begriff –, aber eins verstehe ich einfach nicht: Warum mussten Sie mit so viel Aufwand die Knochen austauschen? – Was ich verstanden habe, ist, dass es hier um Wissenschaftsbetrug geht und dass dieser Professor Hoffmann offensichtlich ein ganz übler Blender gewesen ist. Aber warum mussten Sie denn das Risiko eingehen, beim Austauschen der Knochen entdeckt zu werden? Wenn Sie aufgeflogen wären, dann hätte er Sie doch kaum gedeckt, oder?«
Die Löble schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Ihre Wut über eine solch bodenlose Begriffsstutzigkeit flackerte kurz, aber intensiv auf. Die Kaffeetassen klirrten.
»Herrgottnochmal, ist das denn so schwer?«
War diese Frau imstande, im Affekt brutal zuzuschlagen?
»Wir mussten alte Knochen haben – die 14 C-Bestimmung. Noch nie gehört, oder?«
Doch, dachte Bloch. Die 14 C-Bestimmung ist mir ein Begriff. Spätestens seit dem Fax heute Mittag.
»Die Knochen mussten zumindest ungefähr das richtige Alter haben. Man kann nicht einfach irgendwelches Zeug präsentieren. Das wäre ziemlich schnell aufgeflogen. Hoffmann hatte zwar ausgesprochen gute Beziehungen zum Isotopenlabor – aber nie im Leben hätten die ihre Gutachten um 500 Jahre geschönt. So gut waren die Beziehungen dann auch wieder nicht. Und ich kenne mich im Keller des Museums nun mal am besten aus.« Die Löble hustete wieder. Etwas schien sich hartnäckig in ihrer Kehle festgesetzt zu haben. Sie nahm einen Schluck Kaffee, um es runterzuspülen, und verzog angewidert das Gesicht. »Na ja, so ist das eben«, bemerkte sie bitter. »Die versprochene Karriere habe ich nicht gemacht. Aber Staub habe ich in den letzten zwei Jahren genug geschluckt. Es war zwar kein Aktenstaub, aber Knochenstaub ist auch nicht so toll.«
»Tja ...« Bloch fühlte sich von ihrer unausgesprochenen Aggressivität an die Wand gedrängt. Sein Stift malte Kreise und Spiralen auf das gelbliche Papier des Notizbuches.
»Die Mumie, Frau Löble. Wie passt denn der Mumienfund in dieses Konzept?«
»Sehr gut, Herr Kommissar. Toll, dass Sie es endlich merken!«
Zynismus schien Bloch angesichts ihrer prekären Lage kaum angebracht, aber er schwieg.
»Ich sagte doch schon gestern, dass mit der Mumie der ganze Ärger anfing. Die passte nämlich nicht ins Konzept; die war nicht vorgesehen und Hoffmann wusste mit ihr auch nicht das Geringste anzufangen. Ehrlich gesagt, er glaubte, dass Zumkeller sie ihm untergejubelt hatte.«
Da war er ja ganz entschieden auf der richtigen Fährte gewesen. Auf einer abstrakten, kriminalistisch-wissenschaftlichen Ebene war Kommissar Bloch zutiefst zufrieden. Aber noch war der Fall nicht aufgeklärt. Es galt, wachsam zu bleiben.
»Was für einen Grund könnte Zumkeller gehabt haben, Ihrem Chef so etwas anzutun?«
Die Löble zuckte mit den Schultern.
»Was weiß ich. Vielleicht hat Hoffmann diesmal nicht genug bezahlt. Vielleicht hat Zumkeller versucht, ihn zu erpressen. Keine Ahnung. Das Finanzielle pflegten die beiden Herren immer hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. Damit hatte ich nicht das Geringste zu tun. Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
»Hmm ...?« Blochs rechte Hand schmerzte vom vielen Schreiben. Er war es nicht mehr gewohnt. Morgen würde er das Ganze abtippen müssen. Davor graute es ihm am meisten. Eine richtige Tasse Kaffee wäre jetzt wirklich angebracht. Und nicht wieder so ein Spülwasser wie eben. Ob Merten hinter der Tür stand und lauschte?
»Also, meiner Meinung nach, bin ich eigentlich in dieser Angelegenheit auch ein Opfer. Zwei Jahre lang wurde ich auf übelste Weise missbraucht und ausgebeutet. Dafür hat ein Richter doch sicher Verständnis, oder?«
Bloch ersparte ihr eine Antwort.
»Gibt es noch etwas, das Sie loswerden möchten, Frau Löble?«
Sie zögerte.
»Na, raus mit der Sprache«, ermunterte sie Bloch. »Viel schlimmer kanns kaum noch werden.«
»Wahrscheinlich haben Sie sogar recht, Herr Kommissar.« Die Löble gestattete sich einen Anflug von Nachdenklichkeit. »Ich bin sowieso erledigt. Meine Karriere kann ich in den Wind schreiben.«
Ihre Sprache war längst nicht mehr so gepflegt wie gestern. Bloch wertete das
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