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Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
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als Zeichen zunehmender Ehrlichkeit. Ihre ethische Perspektivlosigkeit war geradezu bestürzend.
    »Ihre berufliche Karriere? Frau Löble, denken Sie doch mal nach! Es geht zwar auch um Wissenschaftsbetrug – aber doch nur am Rande. In der Hauptsache ermittle ich wegen Mordes. Und Mord, das ist ein ganz anderes Kaliber, wie Sie mir sicher zugestehen werden. Aber können Sie mir vielleicht garantieren, dass es sich bei der angeblich 100-jährigen Mumie nicht um einen geschickt kaschierten zweiten Mordfall handelt?«
    Endlich schien die Löble zu verstehen, in welch fatale Situation sie sich mit ihrer Aussage hineinmanövriert hatte. Sie presste ihre grobe, schwielige Hand vor den Mund und stieß den Atem heftig aus.
    »Das wäre ja – aber Herr Kommissar, das kann doch nicht sein. Sie müssen mir glauben. Das wäre ja ein Doppelmord. Das ist schrecklich, was Sie da sagen. – Ich wars jedenfalls nicht.«
    Das sagen sie alle, dachte Bloch.
    Ihre Hand sank auf die Tischplatte und lag dort wie ein hässlicher, vollkommen wertloser Gegenstand, lag dort wie eine Beleidigung all der jahrhundertealten Kostbarkeiten, die in den Museumsvitrinen gehortet wurden. Eine Hand, zu schäbig, um sie auszustellen, noch nicht einmal wert Reliquiensplitter daraus zu fertigen, die dann an gutgläubige Pilger verkauft wurden. Eine Hand, die immer das Falsche tat. Vielleicht hatte sie Schminksachen gestohlen, als Christina Löble 16 Jahre alt war und unter Pubertätsakne litt. Ziemlich sicher hatte sie nie einen geliebten Menschen gestreichelt – lediglich dann und wann ein Hundefell. Diese Hand war nie den weichen Konturen eines Kinderkörpers gefolgt, sie hatte sich immer an den Formen antiker Statuen oder der Schönheit der hohen Wangenknochen eines Mumiengesichtes erfreut. Sie konnte fleißig sein und zupacken, aber wahrscheinlich hatte die Löble mit ihren Händen ihr Lebtag wohl immer nur das Falsche getan. Trotzdem stellte sich die Frage, ob sie fähig war, mit eben dieser Hand jemanden vom Leben zum Tode zu befördern?
    Bloch stellte fest, dass er wirklich extrem müde und unkonzentriert war. Wahrscheinlich lag wieder eine schlaflose Nacht vor ihm. Er fing an, sich aufrichtig zu bedauern.
    »Jetzt beruhigen Sie sich erst mal.« Er sagte es mehr zu sich selbst als zur Löble. »Erst einmal müssen wir die Spuren vom Tatort abgleichen und dann sind Sie sowieso aus dem Schneider, zumindest, was den Mord angeht.«
    »Das ist es ja gerade.« Ihre Stimme klang dumpf. »Meinen Pulli können Sie dann gleich mit untersuchen.«
    »Wieso das?« Bloch massierte seine rechte Hand.
    »Blutspuren. Blut unter den Fingernägeln, die Ihre Kollegen mir freundlicherweise so sauber gekürzt haben. Blut auf meinem Pullover. Hoffmanns Blut.«
    Ihr grob gestrickter, regenbogenfarbiger Pullover war tatsächlich so bunt, dass ein paar Blutflecken nicht weiter auffallen würden. Die weiche Wolle schien aber ausgesprochen saugfähig. Meyer von der Spurensicherung würde sich freuen.
    »Ich war am Tatort.«
    Bloch schwieg.
    »Ich habe dieses verdammte Amulett gesucht. Ich dachte, ich muss das Ding unbedingt verschwinden lassen. Jeder Idiot sieht doch, dass das Amulett neueren Datums ist. Esoterischer Ethno-Kitsch. Wenn jemand es genauer anschaut, dachte ich, dann kommen sie uns sofort auf die Schliche. Ich hatte sowieso immer stärker das Gefühl, dass uns der Laden ziemlich bald um die Ohren fliegen würde. Aber Hoffmann ließ nicht mit sich reden. Er machte immer weiter, als ob nichts passieren könnte. Da habe ich gedacht, dass ich es einfach verschwinden lasse.«
    »Sie haben also gestritten?«
    Die Löble schluckte. »Ich habe ihn gesehen. Sonntagnacht habe ich ihn gesehen.«
    Ihr Gesicht war wieder von einer unnatürlichen wächsernen Blässe, ihre Augen starr.
    »Wen haben Sie gesehen? Den Täter?«
    »Nein. Ihn – den Toten. Es war –« Sie schluckte wieder. »Er – er war noch warm. Es war ziemlich eklig. Das ganze Blut. Sie müssen wissen, ich habe zwar viel mit Toten zu tun, aber das hier war etwas völlig anderes. Knochen, die kenne ich. Knochen, die sind irgendwie – Knochen sind eindeutig – sauberer. Das Amulett habe ich übrigens nicht gefunden. Jetzt weiß ich, warum, er lag, ja mit dem Gesicht darauf.«
    »Ich versuche mal zusammenzufassen, Frau Löble. Bitte unterbrechen Sie mich, wenn etwas nicht stimmt. Also, Sie waren kurz nach der Tat in Hoffmanns Büro, haben den Schreibtisch durchsucht und dementsprechend Blutspuren an Ihren

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