Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
Vom Netzwerk:
Händen und am Pullover, aber Sie haben ihn nicht umgebracht?«
    »Ja – ich meine, nein. Ich habe ihn nicht umgebracht.«
    »Und das soll ich Ihnen glauben? Ist ein bisschen arg wild, Ihre Geschichte, das müssen Sie zugeben, oder?«
    »Kann schon sein.« Die Löble lächelte schwach. »Aber ich habe sogar einen Entlastungszeugen.«
    »Und der wäre?«
    »Churchill.«
    »Wie bitte?«
    »Ich weiß, das klingt seltsam, aber der Hund muss Hoffmanns Mörder gesehen haben. Er hockte völlig verängstigt unter dem Schreibtisch. Ich habe ihn mitgenommen. Den Rest wissen Sie bereits.«
    Gab es Zeugengegenüberstellungen mit Hunden? Bloch hatte so etwas noch nie gehört.
    »Kommen Sie mal mit.« Die Löble erhob sich schweigend. Sie gingen zur Eingangshalle. Bloch meinte, sich schnell entfernende Schritte zu hören. Merten war nirgendwo zu sehen. Churchill lag auf der Seite vor einem Heizkörper und schlief.
    »Rufen Sie ihn«, befahl Kommissar Bloch.
    »Churchill! Churchill, komm!« Die Löble ging in die Hocke. Ein Schauder überlief den massigen Hundekörper. Churchill öffnete unwillig zuerst das eine, dann das andere Auge und blinzelte träge ins Neonlicht. Als er die Löble erblickte, rollte er sich ungelenk auf den Bauch und stand für seine Verhältnisse ungewohnt schnell auf. In kurzatmigem Zockeltrab bewegte er sich in ihre Richtung und winselte dabei ununterbrochen.
    »Guter Junge.« Die Löble tätschelte ihm den Rücken. Schnorchelnd vor Begeisterung ließ sich das Tier auf den Rücken fallen und bot seinen Bauch zum Kraulen dar. Falls er die Löble bei der Ermordung von Hoffmann beobachtet haben sollte, erwies er sich jedenfalls nicht als übermäßig nachtragend.
    Diese rührende Szene sollte man keinesfalls überbewerten, ermahnte sich Bloch, der aber trotzdem ein mildes Lächeln nicht unterdrücken konnte.
    Nicht vergessen, erinnerte er sich, Churchill ist korrupt.
    »Na, dann gehen wir mal alle zusammen nach oben. Mal sehen, wie er sich am Tatort verhält.«
    Bloch zweifelte inzwischen heftig am Wert tierischer Zeugen. Schweigend stiegen sie die ersten Treppenstufen hinauf. Churchill jedoch weigerte sich, mitzukommen. War da doch eine Art Gefühlsregung beim Hund zu beobachten?
    »Ach was, so ein Blödsinn!« Die Löble tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Der Hund kommt mit seinen kurzen Beinen nicht die Treppenstufen hinauf. Er fährt immer Aufzug.«
    »Na, dann wollen wir mal.« Bloch drückte den Knopf. Kurz erinnerte er sich an den verschmutzten Aufzug in Zürich. Hier war alles makellos und sauber geputzt. Die vielen Menschen, die tagtäglich diesen Aufzug benutzten, hatten keinerlei Spuren hinterlassen.
    Oben angekommen schmiegte sich der Hund eng an Blochs Hosenbein. Bloch zog es sachte weg. Der Hund winselte wieder. Laut. Kläglich. Aber vielleicht war das eine völlig unzulässige Interpretation. Vielleicht klagte der Hund gar nicht. Vielleicht bedeutete sein Winseln etwas völlig anderes.
    Churchill steuerte ohne Zögern auf Hoffmanns Büro zu und legte sich quer vor die versiegelte Tür.
    Können Hunde todtraurig gucken?
    Churchill konnte es.
    Wahrscheinlich hatte Hoffmann nur dieses hässliche Tier zum Freund gehabt. Welche Inhalte hatte Hoffmanns Leben gehabt? Bloch spürte überdeutlich, dass er solchen Fragen nicht ausweichen konnte, sonst würde er diesen Fall niemals lösen können. Er wusste nicht, warum er solche inneren Widerstände hatte.
    Welche Inhalte hatte sein Leben gehabt?
    Ehrgeiz.
    Eitelkeit.
    Armer Hund.
    Bloch musste noch einige Telefongespräche führen. Es war viel zu tun, obwohl es bereits spät war. Die Löble folgte ihm, ohne Widerstand zu leisten. Sie schien beinahe erleichtert, dass sie die Nacht in Untersuchungshaft und nicht einsam zu Hause zubringen musste.

18. Kapitel
    Topsannah hat mir beigebracht, wie man aus dünnen Rindenstreifen oder aus langen Grashalmen Schnüre herstellt. Ich sitze auf dem Boden meines Zimmers. Diesen Raum habe ich schon lange nicht mehr verlassen. Wie viele Tage bin ich schon hier? Die Zeit verschwimmt. Ich gehe nur noch aus dem Zimmer, um die Toilette zu benutzen. An das letzte Mal kann ich mich nicht mehr erinnern. Die Tür muss nicht abgeschlossen werden. Sie wissen, dass ich nicht weglaufen werde. Wahrscheinlich bin ich dafür inzwischen zu schwach.
    Ich lehne meinen Rücken an das leere Bettgestell. Die Schnur, an der ich arbeite, habe ich zwischen meine Zehen geklemmt, um sie straff zu halten.
    Ich freue mich.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher