Die Vogelkoenigin
Laura musste nicht nachsehen, um zu wissen, dass Finn mittendrin war. Ganz in seinem Element. Nur, dass es hier abgesehen von ihr und Zoe keine Frauen gab, was er wahrscheinlich am meisten bedauerte.
Milt legte den Arm um sie, und sie lehnte sich an ihn. Er streichelte ihre Schulter, dann glitt seine Hand zu ihrer Taille.
»Wie fühlst du dich?«
»Es geht mir wirklich gut, Milt. Und ich habe eine unglaubliche Reise hinter mir. Aber frag mich bitte weiterhin nicht danach. Zuerst will ich wissen, ob er wirklich fort ist. Zumindest für eine Weile.«
»Es fällt mir schwer, weil ich verständlicherweise sehr neugierig bin.« Er drückte seine Lippen auf ihre Haare. »Du riechst anders«, stellte er dann fest.
»Ja, ich habe mich zwischendurch gewaschen.«
»Etwas belastet mich aber dennoch.« Er sah sie ernst an. »Wie hast du das gemeint mit Fokke?«
»So, wie ich es sagte.« Sie erwiderte seinen Blick nicht minder ernst. »Der Kerl muss weg, Milt! Gegen Alberich kann ich nichts unternehmen, erst recht nicht gegen den Schattenlord. Aber Fokke ... ist besiegbar, auch wenn bisher das Gegenteil gegolten hat. Nur habe ich ihn schon einmal besiegt. Es gibt Regeln, weißt du? Ich bin sicher, dass Arun sein verfluchtes Schiff vom Himmel fegen kann, aber Fokke ist meine Sache. Das ist eine persönliche Angelegenheit.«
»So kenne ich dich gar nicht«, sagte er besorgt.
»Ich weiß. Vielleicht hat Arun mir das vermittelt.«
»Aber wie willst du denn die Zeit aufbringen?«
»Glaub es oder nicht, doch ich habe das sichere Gefühl, dass Fokke ein Teil der Prüfungen ist, die ich zurücklegen muss, um Königin Anne zu finden. Er ist eine Hürde, die, wenn sie gefallen ist, einen Weg aufzeigen wird. Denn schließlich wurde der Schutz seinetwegen errichtet.«
Milt dachte nach. »Diese verquere Logik würde zumindest zu Innistìr passen. Und irgendwie ... hast du recht. Der Dreckskerl muss weg. Was er mit den Seelen gemacht hat ... was er tun kann ... Ach ja, das weißt du noch gar nicht.« Er erzählte Laura, was Glatzkopf und Bohnenstange angenommen hatten bezüglich der »Schattenträger«.
»Siehst du!«, stieß sie grimmig hervor. »Jetzt erst recht.«
Eine Weile träumten sie still in die Nacht hinaus. Laura fühlte sich wohl an Milts Seite und genoss es, seine Wärme, seinen Schutz zu spüren. Das Schiff war von einer Schutzaura umgeben, sodass sie kaum Flugwind spürten, und es war gleichbleibend angenehm warm.
»Es kommt mir vor wie ein Traum«, murmelte Laura irgendwann.
Milt verstärkte den Druck seines Armes. »Ja. Nicht einmal bei den Iolair habe ich mich derart ... sicher gefühlt. Ich bin es gar nicht mehr gewohnt und habe beinahe ein schlechtes Gewissen. Als dürfte ich das hier gar nicht genießen. Was blanker Unsinn ist.«
»Es ist schwer, loszulassen und sich zu entspannen.« Laura berührte das Holz der Reling. Dieses Schiff hier war ganz anders als der Fliegende Holländer; es stellte alles dar, wovon man als Kind träumte. Frei und ungebunden zu sein, ein tolles Gefährt zu haben, das einen überallhin trug ...
»Weißt du, ich hab nachgedacht ... und ... es mag jetzt blöd klingen, aber ...« Sie druckste herum, wusste nicht, wie sie es sagen sollte. Es war ihr peinlich. Vielleicht klappte es ja mit einem Umweg.
»Was du Arun gefragt hast - es ging also durch die Weltpresse. Alle Hinterbliebenen und Freunde der Passagiere müssen sich damit abfinden, dass ihre Lieben tot sind. Und nicht nur das - spurlos verschwunden, und es wird ein ewiges Rätsel bleiben.«
»Ja. Es ist schlimm, weil wir keine Möglichkeit haben, sie zu benachrichtigen, dass alles in Ordnung ist.« Milt rieb sich das Kinn. »Andererseits wäre diese Mitteilung vielleicht auch ein wenig verfrüht. Einige von uns sind seither gestorben, und wer weiß ...«
»Die Frage ist - wenn wir zurückkehren, was werden wir unseren Angehörigen sagen? Wie wollen wir ihnen unsere phantastische Reise erklären? Niemand wird uns glauben. Sie werden uns ein Heer von Psychiatern auf den Hals schicken und uns in die Nervenklinik stecken. Unsere Familien und Freunde werden sich dann nicht mehr sicher sein, ob sie uns nicht lieber tot gesehen und begraben hätten, anstatt jemanden vor sich zu haben, der einem völlig fremd geworden ist, den man nicht mehr versteht. Vor dem man vielleicht sogar Angst hat.«
»Aber wenn wir alle Zusammenhalten und gemeinsam eine Geschichte erzählen, die einigermaßen plausibel ist?«, hielt Milt
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