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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Geburtsjahr!
    »Der muss ja ein Vermögen gekostet haben.«
    Lefeber lächelte undurchsichtig. »Für einen besonderen Anlass darf es auch ein besonderer Tropfen sein.«
    Sie sah zu, wie er mit geschlossenen Augen am Korken schnüffelte, andächtig die rubinrote Flüssigkeit in eine gläserne Blumenvase umfüllte, die er kurzerhand zur Dekantierkaraffe zweckentfremdet hatte, und anschließend die leere Flasche wie eine Reliquie auf einen Beistelltisch stellte.
    Rosen betrat das Esszimmer, zwei Teller in der Hand, auf denen es verführerisch nach gebratenen Pilzen roch.
    »Ein Gruß aus der Küche!«
    Nora, Lefeber und Tibursky nahmen am Tisch Platz. Schwungvoll stellte Rosen die Teller vor sie hin.
    »Sieht sehr lecker aus«, lobte Nora.
    »Selbst gesammelt«, sagte Rosen.
    Nora unterzog das Häuflein Pilze auf ihrem Teller einer eingehenden Betrachtung. »Was sind das für welche?«
    »Das hier sind Pfifferlinge«, sagte Rosen und deutete auf zwei Exemplare. »Bei diesen hier waren Tibursky und ich uns nicht einig.«
    Nora sah sich mit Bauchkrämpfen über der Kloschüssel hängen. Sie zog kurz in Erwägung, eine Pilzallergie vorzuschieben. Doch Rosen grinste breit.
    »War nur Spaß. Die können Sie getrost essen. Ich habe jede Sorte heute Mittag probiert und bin noch am Leben, wie Sie sehen.«
    Wie sich herausstellte, war Heinz Rosen ein exzellenter Koch. Er tischte seinen Gästen ein Fünf-Gänge-Menü auf, das jedem Feinschmeckerlokal zur Ehre gereicht hätte. Alles war auf den Punkt gegart, nichts fad gewürzt oder versalzen, die Speisen ansprechend auf dem Teller angerichtet. Nachdem Nora den letzten Bissen des Desserts – Rosen servierte das Kadayif mit einem Limettensorbet, das dessen überwältigende Süße neutralisierte – vom Teller gekratzt hatte, musste sie ihren Gürtel lockern, um überhaupt noch Luft zu bekommen.
    Der von Lefeber beigesteuerte Bordeaux war nicht nur wegen seines Jahrgangs außergewöhnlich, er passte auch perfekt zu dem Rehbraten, den Rosen mit einem großen Fleischermesser am Tisch tranchiert hatte und dessen Fleischsaft auf der Vorlegeplatte das Einzige war, was noch an diesen Genuss erinnerte. Leider konnte Nora, die ja noch nach Hause fahren musste, kaum mehr als ein halbes Glas von dem edlen Tropfen genießen.
    Nun endlich setzte sich auch Heinz Rosen zu ihnen. Er schnupperte an der Dekantierkaraffe, verzog das Gesicht und schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein.
    »Mögen Sie keinen Wein?«, fragte Nora.
    »Ich trinke keinen Alkohol«, sagte Rosen.
    »Vielleicht hätte ich Ihr Angebot, für mich zu kochen, doch annehmen sollen, Herr Rosen. Das Essen war fantastisch. Herzlichen Dank.«
    »Keine Ursache. Davon habe ich schon lange geträumt: ein mehrgängiges Menü zu kochen. Für richtige Gäste. Nicht solche, die essen müssen, was man ihnen auftischt.«
    »Wie im Gefängnis, meinen Sie?«
    Rosen lächelte und betrachtete versonnen die Perlen, die in seinem Wasserglas an die Oberfläche stiegen.
    »Träume sind was Schönes«, sagte Nora.
    »Nur schad, wenn sie in Erfüllung gehe. Dann fehlt einem örschendwie was«, bemerkte Tibursky.
    »Man muss eben genug davon auf Lager haben«, wandte Lefeber ein.
    »Wovon träumen Sie, Herr Lefeber?«, sagte Nora.
    Lefeber drehte sein Weinglas bedächtig am Stiel.
    »Meinen größten Wunsch wird mir niemand erfüllen«, antwortete er schließlich.
    »Und was wäre das?«
    Lefeber sah ihr in die Augen. »Die Zeichenklasse Aktzeichnen am Städel zu besuchen.«
    »Das wird wohl nicht möglich sein«, gab Nora ihm recht.
    Lefeber antwortete mit einem stillen Lächeln, das eine kaum verhohlene Bitterkeit barg. »Wieder eine richtige Arbeit zu haben, wäre auch schön. Aber das ist ebenso realitätsfremd.«
    »Wollte Neumann diese Woche nicht mit Ihnen zur Arbeitsagentur gehen?«
    Die Bitterkeit in Lefebers Miene verdrängte das Lächeln nun komplett. »Der Termin wurde kurzfristig abgesagt. Von ganz oben. Die Mitarbeiterinnen fühlten sich durch unsere Anwesenheit im Amt gefährdet. Und das, obwohl wir von vier Polizisten bewacht dort einspaziert wären.«
    Nora glaubte, sich verhört zu haben. »Ich spreche am Montag mit Neumann. So geht das nicht weiter«, erwiderte sie kopfschüttelnd.
    »Das war übrigens nicht Heinz’ einziger Traum«, wechselte er das Thema.
    Rosen winkte ab.
    »Na los, erzähl schon, Heinz«, forderte Lefeber ihn auf.
    Rosen schüttelte den Kopf und sah zu Boden.
    »Schlittschuhlaufen«, sagte Lefeber.
    »Wirklich?

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