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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Mann zur Räson, wenn er schon auf mich nicht hört«, presste Kiefer hervor.
    Wawerzineks Blick wanderte von Kiefer zu Kowalski und wieder zurück zu seinem Chef. Es bereitete ihm offenbar große Schwierigkeiten, zu entscheiden, wem in diesem Augenblick seine Solidarität galt. Also zog er einen Flachmann aus der Tasche, nahm einen tiefen Zug. Und blieb doch stumm wie ein Fisch.
    Verächtlich spuckte Kiefer aus. Mit einem Aufstöhnen setzte er sich in Bewegung und humpelte davon in Richtung Dorf. Er würde sich nicht opfern. Was immer jetzt auch passieren mochte – Tobin Kiefers Name würde nicht damit in Verbindung gebracht werden. Allein auf sich gestellt, würde er hier nichts mehr ausrichten, aber vielleicht konnte er irgendwie die Polizei mobilisieren.
    Sein erster Blick zurück galt der Schreckenmühle, dem Gutshof im Wald, den seine Eltern verkaufen mussten und dem Ursprung der Katastrophe, die sich hier anzubahnen drohte. Ihm kamen fast die Tränen bei dem Gedanken, dass von diesem Haus in ein paar Stunden womöglich nur noch eine verkohlte Ruine übrig bleiben würde.
    Sein zweiter Blick galt Kowalski und seiner braunen Bande und Kiefer zeigte einen bisher unbekannten Anflug von Reue. Du bist selber schuld, du Narr, schalt er sich, dich mit Leuten wie Henk einzulassen.
    Der Lauf der Browning folgte ihm auf Schritt und Tritt, Kowalskis hämisches Grinsen hinter der Kimme. Henk und seine Kameraden marschierten parallel zum umgestürzten Baum in den Wald hinein. In wenigen Augenblicken würden sie hinter dem bemoosten Felsen im Tunneleingang verschwinden. Und Tobin Kiefer hatte ihnen den Weg gewiesen.
    *
    Lefeber war entwischt.
    Rosen hatte unter Tränen mitgeteilt, er werde sich jetzt ein Versteck suchen.
    Nora Winter und Schöne waren in der Vorratskammer eingesperrt und Martinez, der sich wegen seiner gebrochenen Rippen kaum vom Fleck rühren konnte und keine Ahnung hatte, was unten vor sich ging, lag in Rosens Bett und rief alle paar Minuten um Hilfe.
    Tibursky hatte nicht vor, sich wie ein Stück Vieh zur Schlachtbank führen zu lassen. Er hielt durch das Wohnzimmerfenster Ausschau: Der Mob stand bereits kurz vor dem Hof, als ein ohrenbetäubender Knall im Wald ertönte. Das Geräusch ließ ihn zusammenfahren: Es war sein Taktgeber gewesen, als dieser fette Bürgermeister und sein glatzköpfiger Neonazi Jagd auf ihn gemacht hatten. Tibursky nahm die Beine in die Hand. Er sprintete vom Flur in den Stall, wo er durch einen Spalt in der angelehnten Tür nach draußen lugte. Der Mob war zum Stehen gekommen, die Menschen sahen sich unschlüssig an. Vermutlich hatte der Schuss auch sie überrascht.
    Das war Tiburskys Chance. Er riss die Stalltür auf und rannte quer über den Hof auf das Mühlengebäude zu. Auf halbem Weg sah er die Tür zur Vorratskammer aufgehen und Nora Winter nach draußen stolpern. Gut, sie hatte sich befreien können. Tibursky tauchte ins Dämmerlicht der Mühle ein, deren Fenster mit Brettern vernagelt waren; einen Moment lang war er orientierungslos und musste sich blinzelnd vortasten, doch schon nach wenigen Sekunden tauchte schemenhaft die marode Holztreppe vor ihm auf, die in den Keller führte. Die Stufen knarzten, als er hinablief. Im Kühlkeller stank es entsetzlich nach Verwesung, möglicherweise war hier in den letzten Tagen ein Tier verendet. Tibursky riss panisch die Tür zum Tunnel auf und trat ein.
    Hier war es noch finsterer als im Keller, nach zwanzig Metern verschluckte die Dunkelheit jeden Lichtstrahl und er ging nur noch blind voran. Vom Chaos draußen war hier unten nichts zu hören. Seine Finger ertasteten die Kühle, die schartige Oberfläche und die Feuchtigkeit der Tunnelwände. Nach fünfzig Metern hörte er plötzlich Stimmen, die sich näherten. Schnell näherten. Da der Tunnel einen leichten Bogen beschrieb, vermochte er den Widerschein einer oder mehrerer Taschenlampen an den Wänden zu sehen, noch vor den Männern, die sich damit ihren Weg bahnten.
    Tibursky saß in der Falle. Der Fluchtweg durch den Tunnel war versperrt. Blieb nur der Weg zurück in den Hof, wo man vermutlich bereits darauf wartete, ihn zu lynchen. Die Lichtkegel der Taschenlampen wuchsen. Lachen und Johlen hallte durch den engen Gang. Er machte kehrt und rannte zurück in Richtung Eingang. Lief durch die offene Holztür und schlug sie hinter sich zu. Legte mit zitternden Fingern den Riegel vor. Die Stimmen im Tunnel verstummten, dafür hörte er die Stimmen der Dörfler, die auf das Haus

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