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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Niemand will uns in seiner Nähe haben. Und das alles wird in einer Katastrophe enden.«
    Nora erinnerte sich gut.
    »Voilà – da haben Sie Ihre Katastrophe.«
    »Wir finden eine andere Unterkunft für Sie drei. Wir fangen noch mal von vorne an.«
    Lefeber schüttelte den Kopf. »Nein, das hört nie auf. Die Menschen sind überall gleich, sie brauchen Dämonen, die ihre inneren Dämonen zum Schweigen bringen. In Scheelbach sind wir die bösen Geister.«
    »Wir haben keine Zeit für philosophische Erörterungen. Geben Sie mir Ihre Waffe, dann gehen wir hier weg und finden einen anderen Ort, wo Sie sicher sind.«
    »Es gibt überhaupt nur zwei Orte, an denen wir vor der Menschheit sicher sind. Und sie vor uns«, sagte Lefeber, trat mit Schwung ihren Schuh weg und schlug die Tür vor ihrer Nase zu. Der Schlüssel wurde zwei Mal im Schloss umgedreht.
    »Wo wollen Sie hin?«, rief sie durch die verschlossene Tür.
    »Eine Schuld tilgen«, kam es gedämpft von der anderen Seite.
    »Was für eine Schuld?«, fragte Nora, aber hinter der Tür blieb es still.
    »Welche zwei Orte meint er?«, wollte Schöne, der sich auf die Kühltruhe gehockt hatte, nach einer Weile wissen.
    Nora lehnte sich an die verschlossene Tür und massierte ihren schmerzenden Fuß. Hoffentlich hatte Lefeber ihr nicht den Zeh gebrochen.
    »Ich nehme an, das Gefängnis ist der eine«, sagte sie. Und der Tod ist der andere, dachte sie, und stellte sich die bange Frage, für welchen der beiden Orte sich Lefeber entscheiden würde.
    Sie rüttelte an der Tür, aber natürlich blieb sie verschlossen.
    Der Lärm von draußen kam unerbittlich näher. »Raus aus Scheelbach, raus aus Scheelbach!«, skandierten aufgebrachte Stimmen, und »Gebt uns Timm!«. Wer war dieser Timm überhaupt?
    Schöne hatte sich in sein Schicksal gefügt, bleich saß er da und starrte ins Leere.
    Nora fuhr sich übers Gesicht, sie fühlte sich erschöpft wie nach vier Stunden Kardiotraining. Sie litten beide unter extremem Schlafmangel, das war vermutlich auch der Grund dafür, dass es eine ganze Weile dauerte, bis Nora die zweite Tür der Vorratskammer auffiel, die nach draußen auf den Hof führte. Im Schloss steckte der Schlüssel.
    Sie fluchte, dann endlich stieß sie die Tür auf und trat ins Sonnenlicht hinaus. Sie sah gerade noch, wie jemand im Mühlengebäude verschwand.
    *
    Henk Wawerzinek hörte den Anlasser erst, als er mit einem Molotowcocktail in jeder Hand um den Baum herumgelaufen war. Hastig stellte er die Flaschen zu dem anderen Dutzend, das dort auf seinen Einsatz wartete, und kletterte an den Ästen der Eiche hoch.
    Der grüne Mini, der Wagen dieser Psychologenschlampe, dessen Reifen er nach der Dorfversammlung geplättet hatte, holperte in einem irren Tempo über den Waldweg, schlingerte durch den Matsch in den Fahrspuren und verschmolz schließlich mit dem Horizont.
    »Die Psychofotze haut ab«, schrie er Kowalski und den anderen Kameraden zu.
    »Besser für sie«, antwortete dieser finster und füllte eine weitere Flasche ab.
    Plötzlich tauchte Kiefer hinter Kowalskis Rücken auf, sein Gesicht glühte vor Zorn.
    »Seid ihr völlig verrückt geworden, hier Brandsätze zu werfen? In dem Haus da vorne ist ein Junge, der niemandem etwas zuleide getan hat!«
    »Geh nach Hause, Alter!«, fuhr Kowalski ihn an. »Da ist kein Junge drin. Wir räuchern diese linke Brut jetzt ein für alle Mal aus.«
    Henk stand daneben und grinste verlegen wie ein reumütiger Zögling. »Tut mir leid Tobin, ich hab’s ihm gesagt. Hätte ich vielleicht nicht tun sollen.«
    Entgeistert blickte Kiefer von einem zum anderen. Inzwischen waren auch Kowalskis Kameraden vom Geschrei ihres Anführers herbeigelockt worden und stellten sich in einem Halbkreis um die Streithähne auf. Kiefer riss den Reißverschluss der schwarzen Nylontasche auf und zog mit zitternden Händen die Browning heraus. Doch bevor er sie in Stellung bringen konnte, packte Kowalski sie am Lauf und entriss sie ihm.
    Unerwartet blickte Kiefer in die Mündung seiner eigenen Waffe.
    Kowalskis Bewegungen waren schnell und routiniert. Er klappte das Magazin heraus, kontrollierte den Inhalt – zwei Patronen vom Kaliber 308 –, rastete das Magazin wieder ein und zog den Verschlusshebel nach hinten durch, sodass nun eine Patrone in der Kammer lag. Ganz sicher hielt dieser Kerl nicht zum ersten Mal ein Gewehr in der Hand. Über Kimme und Korn zielte er auf das fassungslose Gesicht des Scheelbacher Ortsvorstehers.
    »Henk, bring den

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