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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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band sie das Halstuch wieder um und räusperte sich. »Es tut mir leid. Ist ja nicht Ihre Schuld, was da im Moment passiert. Weshalb sind Sie also gekommen?«
    Obwohl Frankes Stimme unverändert hart klang, war Nora erleichtert. »Ich soll Empfehlungen für die Polizei und für die Bewährungshelfer vorlegen«, sagte sie. »Welche Maßnahmen bezüglich der Sicherheit ergriffen werden müssen, aber auch Möglichkeiten der Resozialisierung.«
    Franke rang um Fassung. »Glauben Sie im Ernst, jemanden wie Adam Lefeber resozialisieren zu können?«
    »Er hat im Gefängnis große Anstrengungen unternommen, therapiert zu werden. Außerdem befürchte ich, wir haben keine andere Wahl. Lefeber muss freigelassen werden, so lautet das geltende Recht, also müssen wir uns Gedanken über seine Integration in die Gesellschaft machen.«
    »Warum lassen Sie ihn nicht einfach im Gefängnis, wo er hingehört? Schreiben Sie in Ihrem Gutachten, dass Lefeber weiterhin eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt.«
    »Das geht nicht, Frau Franke. So sehr ich Sie verstehen kann. Tut mir leid.«
    Franke sah sie lange an. Dann straffte sie die Schultern und seufzte tief. »Bewachen Sie ihn. Rund um die Uhr. Lassen Sie ihn keinen Moment aus den Augen. Lassen Sie sich nicht von ihm einlullen. Sorgen Sie dafür, dass Sie ständig wissen, wo er ist und was er tut.«
    »Das werden wir.«
    »Ich warne Sie: Wenn es irgendwie möglich ist, werde ich mir eine Waffe besorgen. Und falls Adam Lefeber in meiner Nähe auftaucht oder in der Nähe meiner Tochter oder meines Mannes, erschieße ich ihn. Ohne Vorwarnung. Das können Sie mir glauben.«
    »Frau Franke …«
    »Und noch eins: Sollte der Vater der beiden Jungen herausfinden, dass Sie als Sachverständige Lefebers Freilassung befürwortet haben, besorgen Sie sich besser selbst ein paar Leibwächter.«
    Mit diesen Worten wandte Franke sich ab und eilte ohne Abschiedsgruß davon.
    Nora verstand die Frau nur allzu gut. Ihrem Ziel, etwas über den Menschen Adam Lefeber zu erfahren, war sie jedoch keinen Schritt näher gekommen.
    Freitag, 18. Oktober
    Professor Doktor Ernst Schröder wohnte in unmittelbarer Nähe von Noras Vater in einer der teuersten Gegenden Frankfurts, dem Holzhausenviertel. Vor den Villen in der Justinianstraße standen jedoch keine Nobelkarossen, sondern Kleinwagen; die teuren Schlitten parkten in der Doppelgarage. Es war das Hauspersonal, das seine Fahrzeuge auf der Straße abstellen musste.
    Schröder besaß zwei Dobermänner, die auf Noras Klingeln um die Ecke des Hauses schossen und knurrend und bellend an dem schmiedeeisernen Tor hochsprangen. Es sah ganz so aus, als wollte sich Schröder vor einem nächtlichen Überraschungsbesuch eines seiner Klienten schützen. Vielleicht traute er seinen eigenen Prognosen nicht.
    Die auf Hochglanz polierte schwarze Eingangstür mit der goldenen Hausnummer öffnete sich und Schröder – ein stämmiger älterer Herr mit Halbglatze und randloser Brille – trat heraus. Er trug quietschbunte Golfkleidung und ein Paar beigefarbene Lederhandschuhe locker in der linken Hand.
    Er blickte Nora irritiert an, dann rief er die Hunde zurück und kam ans Tor, sobald diese sich neben der Eingangstür abgelegt hatten.
    »Herr Schröder?«
    »Professor Doktor Schröder. Ja, ganz recht.«
    »Mein Name ist Nora Winter vom ZPD. Ich bin gerichtlich bestellte Sachverständige.«
    Schröder musterte Nora von Kopf bis Fuß. »Ach ja? Und womit kann ich Ihnen dienen?«
    »Sie haben in den Neunzigerjahren drei Männer begutachtet: Adam Lefeber, Heinz Rosen und Wolfgang Tibursky.«
    »Sie werden sicher verstehen, dass ich mich nicht mehr an jeden einzelnen Fall erinnern kann.«
    »Über die Sache ›Haidn gegen den deutschen Staat‹, 2011 sind Sie doch sicher im Bilde.«
    Schröder starrte sie mit seinen kalten blauen Augen an. »Sie haben mein Interesse geweckt, Frau Kollegin.«
    Der Spott in seiner Stimme entging Nora nicht.
    Im nächsten Moment ertönte der Summer, das Tor sprang auf und Schröder forderte sie auf, einzutreten.
    Sie gingen in die Villa, die Hunde lagen zu beiden Seiten der Eingangstür wie Anubisstatuen, die Köpfe hoch erhoben; die bernsteinfarbenen Augen folgten Nora auf Schritt und Tritt.
    »Fritz und Jürgen sind ganz harmlos. Solange man sie nicht reizt.«
    Schröder führte sie in sein Arbeitszimmer. Auf einer Vitrine stand ein gerahmtes Foto, das eine Frau Mitte fünfzig zeigte, mit Lachfalten in den Augenwinkeln, grauem langem Haar, zu

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