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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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abwartende Geste: »Wie ich gerade höre, gab es einen Zwischenfall vor der JVA, bei dem einer der Männer angefahren und verletzt wurde. Hier ein Einspieler.«
    Ein paar undeutliche Bilder folgten – im Dunkeln war kaum mehr zu erkennen als Schatten, dann flackerten Lampen auf und jemand humpelte davon, ein Taschentuch gegen die Stirn gepresst.
    Es gab eine Konferenzschaltung mit einem Reporter vor Ort nebst Diskussionen und Spekulationen darüber, wie schwer der Mann, der nur Wolfgang T. genannt wurde, verletzt war. Und das Versprechen, die Zuschauer auf dem Laufenden zu halten.
    Annas Stricknadeln gönnten sich eine kurze Pause. »Der Ärmste.«
    Kiefer schnaubte verächtlich. »An die Wand stellen sollte man die Kerle. So hat man das früher gemacht, kurzen Prozess, zack – Rübe runter.«
    »Trotzdem tut er mir leid. Der hatte furchtbare Angst, das hat man ganz deutlich gesehen.«
    »Angst hatten auch die, die der unter die Erde gebracht hat.«
    »Angeblich war er kein Mörder, sondern ein Heiratsschwindler.«
    »Quatsch, einen Heiratsschwindler sperren die doch nicht zwanzig Jahre weg.« Tobin betrachtete versonnen einen Paprikastreifen.
    »Eine Viertelmillion kostet es im Jahr, diese Arschlöcher rund um die Uhr zu bewachen. Zweihundertfünfzig Mille. Das zahle ich alles mit meinen Steuergeldern!«
    »Ausgerechnet du«, mokierte sich Anna, bevor das Klappern der Stricknadeln wieder einsetzte.
    Kiefer legte den Paprikastreifen angewidert in die Schüssel zurück. Während er über Annas Kommentar nachsann, betrachtete er auf dem Bildschirm die verschwommenen roten Rücklichter des Busses, der von Nacht und Nebel verschluckt wurde, gefolgt von Streifenwagen, Fernsehübertragungswagen, Privatfahrzeugen. Eine verdammte Karawane setzte sich da Richtung Frankfurt in Bewegung.
    »Gott sei Dank sind wir von so was verschont geblieben«, sagte Anna.
    »Denen würden wir in Scheelbach schon Beine machen«, meinte Tobin. »So etwas gibt es nur in der Stadt.«
    Seufzend schob er die Schüssel beiseite. Den Rest sollten die Hasen im Stall hinter dem Haus fressen. Für die hatte Gott das Grünzeug ja auch gemacht.
    *
    Nora saß vor dem Fernseher und sah ebenfalls Nachrichten. Ceyda war vor ein paar Stunden zu einem weiteren Nachtdienst in der Uniklinik aufgebrochen. Nora hatte den Staubsauger angeworfen, aber immer wieder unterbrochen, weil sie fürchtete, das Telefon zu überhören. Zum Beispiel einen Anruf von Bruno Albrecht. Aber das Telefon blieb stumm. Also hatte sie sich frustriert im Pyjama mit einer Tasse Tee auf die Couch gelegt und die schlechte Laune und Unentschlossenheit der letzten Tage noch durch Grübelei untermauert.
    Dann hatte sie den Fernseher eingeschaltet. Und war aus allen Wolken gefallen.
    Sie sah, wie Tibursky vor einen Ü-Wagen lief und nur aufgrund der Wachsamkeit seines Schutzengels mit ein paar Schrammen davonkam.
    Sie sah, wie Rosens schreckgeweitete Augen hinter einem Autofenster in die Welt hinausspähten, während der Bus mit aufheulendem Motor an einem Pulk Reporter vorbeischoss.
    Und sie sah, wie der Gefängnisdirektor Dr. Rauch den wartenden Journalisten die immer gleichen lapidaren Fragen beantwortete: was Rosen gerne zum Frühstück aß, ob es im Gefängnis einen Friseur gab, wann damit zu rechnen sei, dass Lefeber das nächste Kind umbrachte.
    Das Telefon klingelte. Anrufer unbekannt .
    Nora nahm ab.
    »Frau Winter?«
    »Ja bitte? Mit wem spreche ich?«
    »Radio 106.6 – Frau Winter, warum haben Sie als Sachverständige der Entlassung dieser drei Schwerverbrecher zugestimmt?«
    »Woher haben Sie meine Nummer? Wer sind Sie?«
    »Sie sind live auf Sendung.«
    »Das ist mir egal. Geben Sie mir sofort Ihren Vorgesetzten.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen. So ein Affe!
    Nora brummte der Schädel. Am liebsten hätte sie sich umgehend ins Bett verkrochen. Das Telefon klingelte erneut, doch es war wieder nicht Bruno. Nora zog den Stecker aus der Wand. Und riskierte einen weiteren Blick auf den Fernseher.
    Die Fahrzeuge hatten inzwischen offensichtlich ihr Ziel erreicht. Im Schritttempo fuhren sie auf das verlassene Gebäude zu, das von einem Dutzend Scheinwerfer in gleißendes Licht getaucht war.
    Nora erkannte das ehemalige Seniorenheim in Schwanheim auf Anhieb. Maningnings demenzkranker Vater war dort einige Jahre bis zu seinem Tod untergebracht gewesen, lange bevor das Haus wegen diverser Pflegeskandale schließen musste und nun auf seinen Abriss wartete.
    Offenbar hatte man es einem

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