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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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einmal ein Eimer Farbe umgekippt und die Stelle nur notdürftig gereinigt worden war. Die Muster und Farben der Tapeten stammten aus den Siebzigerjahren, helle Vierecke kennzeichneten die Stellen, an denen Möbel gestanden und das Sonnenlicht ferngehalten hatten, und unzählige Dübellöcher, manche nur notdürftig verspachtelt, verliehen den Wänden das Aussehen eines Schweizer Käses.
    In diesem Durcheinander wirkten die Rauchmelder, die allem Anschein nach erst unlängst an der Decke installiert worden waren, wie Fremdkörper. Die Kontrolllämpchen blitzte alle paar Minuten rot auf, zeigten ihre Bereitschaft an, die Bewohner vor dem heimtückischen Feuertod zu bewahren.
    Sie benötigten gerade mal eine halbe Stunde, um sich notdürftig einzurichten, dann fanden sich alle im Wohnzimmer ein. Neumann hatte eine neue Kaffeemaschine spendiert, nun stellte er ein Tablett mit vier großen Tassen auf den Tisch, aus denen Dampf aufstieg. Obwohl er bereits die Fenster aufgerissen hatte, um frische Luft hereinzulassen, haftete Modergeruch in den feuchten Räumen. Es war kalt hier drinnen – kälter als draußen.
    Neumann verteilte die Tassen und forderte die Männer auf, sich zu setzen. Lefeber holte einen Lappen aus der Küche und wischte den Stuhl ab, bevor er Platz nahm. Dann legte er den schmutzigen Lappen in die Mitte des Tisches, was Tibursky mit einem Grinsen zur Kenntnis nahm
    »Wasser läuft, die Boiler in Küche und Bad sind ebenfalls eingeschaltet. Es wird wohl noch eine oder zwei Stunden dauern, bis Sie heißes Wasser haben. Die Sicherung für die Vorratskammer fliegt immer wieder raus, ich schicke einen Elektriker vorbei, ansonsten funktioniert alles. Geheizt wird mit Holz. Herr Albrecht meinte, dass Sie mit dem Holz im Stall gut eine Woche auskommen; in der Scheune liegen noch etliche trockene Scheite, die Sie nur hacken müssen. Der Vorrat dürfte für den ganzen Winter reichen. Wie man den Ofen anzündet, zeige ich Ihnen nach der Kaffeepause.«
    »Womit hacken wir das Holz?«, wollte Lefeber wissen.
    »Axt und Schleifstein finden Sie neben dem Holzstapel.«
    Lefeber sah zu Rosen hinüber, doch der starrte aus dem Fenster, als ginge ihn das alles nichts an.
    »Da draußen ist jemand«, sagte er unvermittelt.
    Neumann ging zum Fenster. Am Ende des Waldweges lehnte ein geländegängiges Motorrad an einem Baum, die Reifen mit Schlamm verkrustet. Daneben stand breitbeinig und mit einem Fernglas vor den Augen ein gedrungener, muskulös wirkender Mann mit Glatze. Obwohl Neumann eine Weile hinausblickte, machte der Besucher keine Anstalten, zu grüßen. Erst als der Bewährungshelfer ein lautes »Hallo!« in den Wald rief, schwang der Mann sich auf seine Maschine und brauste unter lautem Knattern davon. Dem Motorrad fehlte das Nummernschild. Neumann kehrte an den Tisch zurück.
    »Es befinden sich rund um die Uhr zwei zivile Streifenwagen mit je zwei Beamten in Ihrer Nähe. Die Beamten werden Sie nicht aus den Augen lassen, vierundzwanzig Stunden lang, sieben Tage die Woche. Wenn Sie die Schreckenmühle verlassen möchten, melden Sie sich ab, Sie werden dann begleitet. Ausflüge bitte einen Tag vorher anmelden, das ist keine Auflage, sondern ein Wunsch der Polizeibeamten, und ich rate Ihnen, sich mit den Herren gut zu stellen. Die können Ihnen das Leben nämlich richtig schwer machen, wenn sie es darauf anlegen. Es ist Ihnen ab sofort nicht mehr gestattet, sich frei und unbeaufsichtigt zu bewegen. Die Beamten sind darüber hinaus berechtigt, Personen, mit denen Sie in Kontakt treten, über Ihr Vorleben aufzuklären.«
    »Des heißt«, fiel Tibursky ein, »wenn isch eine nedde Daame auf ein Likörsche einlade, komme die Uniformierde und …«
    »… dürfen Ihre Herzdame vorbeugend darüber informieren, dass Sie wegen schweren Betrugs, Freiheitsberaubung und Körperverletzung mehrfach vorbestraft sind. Bei Herrn Rosen und Herrn Lefeber entsprechend.«
    Tibursky stieß einen Pfiff aus.
    Lefeber schüttelte fassungslos den Kopf. »So wird das aber nichts mit der Resozialisierung.«
    »Das sind Kann-Regeln, die Umsetzung liegt im Ermessen der diensthabenden Polizisten und hängt nicht zuletzt davon ab, wie gut Sie mit ihnen kooperieren.«
    Die Bemerkung entlockte Lefeber nur ein schwaches Lächeln. Kooperation mit Polizisten – das klang ja beinahe wie eine Geschäftsbeziehung.
    »Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme«, Neumann kramte aus seiner Jackentasche eine dunkelblaue Armbanduhr, das gleiche Modell, das Rosen,

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