Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
Vom Netzwerk:
Forstwirtschaft zu tun hatten, lediglich zwei der Besitzer waren Vollerwerbslandwirte. Der Rest wurde von Familien bewohnt, in denen mindestens ein Elternteil in Kiefers Brauerei arbeitete. Oder von Pendlern, die in Aschaffenburg oder in der Sägemühle des nahe gelegenen Rienecker Gewerbegebiets Dürrhoffeld ihre Brötchen verdienten.
    An der Strecke durch den Ruppertshüttener Forst standen drei hölzerne Gedenkkreuze, die Schwarz-Weiß-Fotografien und Hinweistafeln waren längst bis zur Unkenntlichkeit verwittert, doch der Blumenschmuck wurde alle zwei Wochen erneuert.
    Scheelbach verfügte über ein Gemeindehaus, in dessen Keller die freiwillige Feuerwehr untergebracht war, dazu eine Bäckerei und einen Dorfkrug, der sein Bier aus der Brauerei Kiefer bezog. Außerdem gab es einen Geldautomaten der Volks- und Raiffeisenbank sowie zwei leer stehende Läden, von denen einer früher eine Metzgerei gewesen war. Als der Metzger das Geschäft aus Altersgründen und mangels Nachwuchs vor zehn Jahren aufgeben musste, hatte ein Anatolier aus Aschaffenburg versucht, mit einem türkischen Imbiss in Scheelbach Fuß zu fassen. Nach sechs Wochen hatte er sein Geschäft ohne Angabe von Gründen geschlossen und den Ort über Nacht mit seiner Familie verlassen.
    Der zweite Laden hatte eine Drogerie beherbergt, bis die Kette vor Kurzem in Konkurs gegangen war und alle Filialen schließen mussten.
    Direkt unter der Radarfalle kam der Bus zum Stehen, woraufhin die nachfolgenden Fahrzeuge ebenfalls rechts ran fuhren und die Warnblinkanlage einschalteten. Die Beifahrertür ging auf und ein Mann sprang auf den Gehsteig. Er eilte zum letzten Wagen, Neumann kurbelte das Fenster herunter.
    »Weißt du, wo’s langgeht?«, fragte sein Kollege. Beim Sprechen stieß er kleine weiße Wölkchen aus. Hier war es mindestens fünf Grad kälter als in Frankfurt, was nicht ausschließlich an der Höhe lag, sondern auch an dem Mikroklima, das in dem dichten Wald rund um das Dorf herrschte. Das Rauschen der Bäume war so laut, dass Neumann ihn bitten musste, seine Frage zu wiederholen. Dann fuhr er auf einem Computerausdruck mit dem Finger eine Linie entlang, die Route, die er sich im Internet zusammengesucht hatte, doch ab der Ortseinfahrt Scheelbach waren die Straßen nur noch schwer zu erkennen. Bruno Albrecht hätte den Weg gewusst, doch er konnte erst am späten Abend nach Scheelbach kommen. Seine Praxis war tagsüber so voll, dass er sie nicht einfach schließen konnte, um seine neuen Mieter zu begleiten. Und Neumann war nicht bereit gewesen, mit dem Umzug bis zum Wochenende zu warten.
    »Kurz vor der Brauerei am Ortsausgang geht’s links ab. Einen Waldweg entlang, etwa zwei Kilometer, sollte einfach zu finden sein.«
    »Fahrt ihr voraus?«
    Neumann nickte und kurbelte die Scheibe wieder hoch. Der Fahrer schaltete die Scheinwerfer ein. Obwohl es heller Tag war, ließen die umstehenden hohen Bäume kaum Licht durch.
    Die Wagenkolonne setzte sich wieder in Bewegung. Hundert Meter vor ihnen tauchte gegenüber dem Schild der Brauerei Kieferbräu die letzte Möglichkeit auf, links abzubiegen, bevor der Ort endete. Sie versuchten ihr Glück.
    Es ging an einigen schmucklosen Einfamilienhäusern vorbei, die schon bessere Zeiten gesehen hatten, bis nach einer Kurve rechter Hand plötzlich ein protziges Anwesen im Stil einer Südstaatenvilla auftauchte, Veranda und Doppelgarage inbegriffen.
    An der Einfahrt kehrte eine kleine drahtige Frau Laub zusammen. Als sie die Busse und die nachfolgenden Fahrzeuge auf sich zukommen sah, blickte sie interessiert auf und hielt in ihrer Arbeit inne.
    Neumann ließ rechts ran fahren und kurbelte das Fenster herunter.
    »Entschuldigung, ist das der Weg zur Schreckenmühle? «
    Die Frau spähte ins Wageninnere, ihr Blick blieb auf Tibursky haften, der ihn mit einem spitzbübischen Lächeln erwiderte.
    »Was wollen Sie denn da?«, erwiderte die Frau.
    »Mer ziehe da ein«, erwiderte Tibursky.
    »Ist das denn der richtige Weg?«, schaltete sich Neumann ein, bevor Tibursky noch mehr ausplaudern konnte.
    »Im Prinzip ja … folgen Sie einfach der Straße. Nach dem Waldrand sind es noch etwa eineinhalb Kilometer, immer geradeaus; der Waldweg macht ein paar Biegungen, lassen Sie sich dadurch nicht verunsichern.«
    Neumann bedankte sich, schloss das Fenster und ordnete die Weiterfahrt an.
    Rosen und Tibursky sahen aus dem Rückfenster. Die Frau rührte sich nicht von der Stelle und beobachtete die Wagenkolonne, bis sie hinter

Weitere Kostenlose Bücher