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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Schlepptau: Zwei von ihnen wohnten ebenfalls in Scheelbach und waren offiziell als arbeitssuchend gemeldet. Die beiden anderen waren ortsfremd. Doch wer in Wawerzineks Begleitung kam, hatte eine Einladung und damit Anwesenheitsrecht. Die Männer versorgten sich mit Bier und setzten sich schweigend an einen freien Tisch ganz hinten im Saal.
    Die nächsten Besucher waren weit weniger willkommen: Drei Männer, die sich mit ihren Vollbärten, langen Haaren und taschenreichen Kakiwesten auffallend glichen, betraten den Raum und begannen sofort, an der Rückwand des Gebäudes Kamerastative aufzubauen und Kabel zu verlegen.
    Das Stimmengetöse im Saal schwoll an. Erste Fragen wurden laut, was die Fernsehleute hier suchten und woher sie von dem Treffen erfahren hatten. Die Männer am hintersten Tisch im Saal standen auf und gingen mit drohenden Mienen auf sie zu. Sie forderten die Besucher auf, zu verschwinden. Und zwar zügig. Es folgte ein hitziger Wortwechsel.
    Im selben Moment, als Henk Wawerzinek ein Stativ packte, um es mitsamt seinem Besitzer an die frische Luft zu befördern, traf Tobin Kiefer in Begleitung seiner Frau ein. Nachdem er die Auseinandersetzung beobachtet hatte, vermittelte er zwischen den streitenden Parteien. Henk und seine Begleiter kehrten daraufhin zu ihrem Tisch zurück, wo sie sich vieldeutige Blicke zuwarfen, während die Fernsehteams unbehelligt mit dem Aufbau der Ausrüstung fortfuhren.
    Doch die Stimmung im Saal blieb angespannt. Inzwischen hatte jeder begriffen, dass die Fernsehsender ihre Mitarbeiter nicht geschickt hatten, um über die Vorbereitung des Scheelbacher Dorffestes zu berichten.
    Kiefer schloss seinen Laptop an den Beamer an, dann begrüßte er die Anwesenden und kam ohne Umschweife zur Sache.
    Auf der Leinwand erschien eine Aufnahme von mehreren Fahrzeugen mit Frankfurter Kennzeichen vor einem gleichermaßen dunklen Waldrand – es war das Foto, das er selbst vor wenigen Tagen per E-Mail erhalten hatte. Kiefer tippte auf die Tastatur und die gleiche Aufnahme erschien – dieses Mal als Titelbild auf der ersten Seite der BILD-Zeitung.
    Darüber die Schlagzeile: Versteckspiel!
    Und darunter in kleinerer Schrift: Kinderschänder in Spessartdorf untergetaucht.
    Ein Raunen ging durch den Saal. Jemand stieß einen lautstarken Fluch aus.
    »Ich betrachte es als meine Pflicht, euch davon in Kenntnis zu setzen, dass in der Schreckenmühle drei gefährliche Schwerverbrecher untergebracht sind, die vorzeitig aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden«, begann Kiefer seine Rede. »Werden mussten.«
    Er projizierte großformatige Fotos von Lefeber, Rosen und Tibursky auf die Leinwand, und während er die grimmigen Gesichter auf die Mitglieder seiner Gemeinde wirken ließ, fasste er an Informationen zusammen, was er im Internet – bei Wikipedia, in Zeitungsarchiven und den entsprechenden Blogs – gefunden hatte.
    Den von Lefeber und Rosen begangenen Gräueltaten räumte er besonders viel Aufmerksamkeit ein, schilderte sie in allen Details, die der Öffentlichkeit damals zugänglich gemacht worden waren. Selbst grobkörnige Fotos von Peter und Paul Grießbach, den beiden Schülern, die Lefeber gefoltert und getötet hatte, hatte er aufgetrieben. Angesichts der blonden Locken und offenen Gesichter fühlten sich nicht wenige im Saal an Mettes Sohn Timm erinnert.
    Beklemmung machte sich breit.
    »Herr Albrecht, der Eigentümer der Schreckenmühle und ein Freund der ehemaligen Häftlinge, ist für eine Diskussion leider nicht zugänglich. Von seinen ursprünglichen Plänen, auf dem Hof ein Therapiezentrum für Kinder einzurichten, will er nichts mehr wissen. Albrecht hat uns Scheelbacher kaltblütig hintergangen.«
    »Scheißfrankfurter!«, schallte es durch den Saal, ein Lachen brach sich Bahn und löste die Spannung, man sah sich suchend um, doch der Rufer gab sich nicht zu erkennen.
    »Aber die Männer werden doch von Polizisten bewacht!«
    Der Einwand kam von Stephan Ludwig, dem Eigentümer der Bäckerei, in der Mette und Timm arbeiteten. Ludwig war ein kleiner Mann mit einer großen Nase und triefäugigem Blick, der von einer chronischen Bindehautentzündung herrührte, einer typischen Berufskrankheit der Bäcker.
    Kiefer lächelte. »Vier Polizisten für drei Männer. Wollt ihr euch darauf verlassen, dass die in jeder Sekunde aufmerksam sind?«
    Die Scheelbacher schüttelten die Köpfe. Was konnten vier Bewaffnete schon gegen solche Massenmörder und Kinderschänder ausrichten?
    »Und

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