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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Anruf und legte auf, nicht ohne den Mitarbeiter ihres Vaters noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um ›ihre Leute‹ handelte und die ganze Geschichte sowieso nicht in ihrem Einflussbereich lag.
    Frau Riva, eine matronenhafte brünette Kinderkrankenschwester, bot ihr ein zweites Stück Kuchen an, das Nora jedoch dankend ablehnte. Sie bugsierte Agniezka in Richtung Schaukel, die an einem Ast des alten Apfelbaums hing.
    Während Agniezka jauchzend durch die Luft schwang, ging Nora im Geiste die Optionen durch. Eigentlich sollte sie sich aus der Sache heraushalten. Selbst der Besuch in der Schreckenmühle vor zwei Tagen war ihr Privatvergnügen gewesen, eines, das Schreyer sicher nicht goutierte. Neumann und sie hatten aus gutem Grund gegen die Unterbringung votiert.
    Broussiers Auffassung, in Scheelbach tickten die Uhren so langsam, dass man die Männer lange Zeit gar nicht bemerken würde, hatte sich als kolossale Fehleinschätzung entpuppt. Und dafür sollte sie nun den Kopf hinhalten?
    Doch dann sah sie Lefeber vor sich, wie er hilflos im verqualmten, eiskalten Wohnzimmer stand, unfähig, ohne fremde Hilfe den Ofen einzuschüren. Rosen, der inmitten seines vermüllten Zimmers saß und apathisch auf das Radio starrte, in dem Udo Jürgens gerade Ein ehrenwertes Haus sang. Tibursky, der mit kindlicher Freude ein Spinnennest studierte. Die Männer hatten ohne Frage schwere Straftaten begangen. Aber sie hatten sich nicht ausgesucht, auf diese Weise entlassen zu werden, und konnten nur versuchen, so gut es ging, mit der Situation umzugehen. Niemand stand zu ihnen und wenn man sie mit ihren Problemen alleine ließ, würde alles nur noch schlimmer werden. Nora dachte daran, was Gideon dazu sagen würde, dass sie sich wieder einmal in Dinge einmischte, die sie nichts angingen. Dann erinnerte sie sich daran, was Bruno in Lefebers Zelle zu ihr gesagt hatte: »Jeder hat eine zweite Chance verdient.« Was würde er von ihr halten, wenn den Männern etwas zustieß und sie wider besseres Wissen nichts unternommen hatte!
    »Nora? Schubst du mich noch mal an?«
    Agniezka saß auf der Schaukel, scharrte mit den Sandalen im Gras und sah sie mit ihren braunen Rehaugen an, dass es Nora einen Stich versetzte.
    »Agni, ich muss leider noch mal weg. Vielleicht kann ich später wiederkommen, ich kann aber nichts versprechen. Es ist etwas Wichtiges. Das verstehst du doch, oder?«
    Agniezka nickte stumm, doch aus ihrem Blick sprach deutlich der Vorwurf: Nicht mal an meinem Geburtstag hast du Zeit. Nora drückte das Mädchen an sich.
    Dann rief sie Bruno an und eilte nach kurzer Verabschiedung zum Auto. Bis Scheelbach waren es etwa vierzig Kilometer. Wenn sie sich beeilte, kam sie gerade noch rechtzeitig.
    *
    Als Nora fünfunddreißig Minuten später den Gemeindesaal in Scheelbach betrat, hatte sich die Aufregung keinesfalls gelegt – ganz im Gegenteil: Die Dorfbewohner hatten sich in Rage geredet. Niemand hatte es auf seinem Stuhl ausgehalten, stattdessen standen die Menschen in Gruppen zusammen und diskutierten mit roten Köpfen, wild gestikulierend. Dass die Bierkästen größtenteils geleert waren, trug erheblich zur aufgeheizten Stimmung bei.
    Wie ein Fremdkörper fühlte sich Nora in dieser geschlossenen Welt, die sie von der Eingangstür bis zum Beamer energisch durchschritt. Sie wünschte sich Bruno an ihrer Seite, der sie unterstützen und beschützen konnte, falls ihr Eingreifen außer Kontrolle geriet. Aber Bruno hatte einen wichtigen OP-Termin, wie er am Telefon erklärt hatte. Er wollte nachkommen, sobald es ging.
    Einer der Fernsehleute, die ihre Kameras auf die Versammlung gerichtet hatten, rief: »Da ist ja die Gutachterin!« Die Objektive richteten sich schlagartig auf sie, wie Satelliten auf ein Funksignal aus dem Weltraum. Doch im Eifer des Gefechts schien das zum Glück niemand mitbekommen zu haben.
    Ganz kurz sehnte sie das stete Drücken des Holsters an ihren Rippen herbei. Aber in dieser Situation bewaffnet zu erscheinen, war wesentlich gefährlicher, als schutzlos zu sein, wenn die Bierflaschen flogen.
    An der Kopfseite des Saals warf ein Beamer die Bilder von Lefeber, Rosen und Tibursky an die Wand. Folter und Doppelmord waren sie untertitelt, Entführung und mehrfacher Mord, sowie Raub, Betrug, Geiselnahme. Plakativer ging es nicht mehr.
    Neben dem Beamer stand ein beleibter Mann, den Nora auf Ende vierzig, Anfang fünfzig schätzte, sein markantes Gesicht war von Schweißperlen benetzt. Seltsamerweise

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