Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
Vom Netzwerk:
einem grauen Arbeitskittel klapperte mit den Schlüsseln. Zeit zu gehen. Nora warf ihre Jacke über und verließ den Saal.
    Vor dem Eingang lief sie direkt Bruno Albrecht in die Arme. Der nichts Besseres zu tun hatte, als sie zu überrumpeln, indem er sie in die Arme schloss und küsste.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie den Mann, der die Versammlung aufgelöst hatte. Er beobachtete sie grinsend, dann stieg er in seine Audi-Limousine. Nun wusste er genau, wie er Nora einsortieren musste.
    »Wer ist der Kerl da drüben?«, wollte sie von Bruno Albrecht wissen.
    »Das ist Tobin Kiefer. Er bezeichnet sich als Ortsvorsteher von Scheelbach. So etwas wie ein Bürgermeister. In Wahrheit hält er sich wohl für einen absolutistischen Fürsten, der hier nach seinem Gutdünken schalten und walten kann.«
    »Ein unangenehmer Typ.«
    »Das kannst du laut sagen. Er hat mich gestern in der Praxis aufgesucht.«
    »Und?«
    »Und mir ein Angebot gemacht, dass ich nicht ablehnen konnte, wie es so schön heißt.«
    »Wie hast du reagiert?«
    »Ich habe abgelehnt«, lachte Bruno. Er schlug ihr vor, gemeinsam in seinem Auto zur Schreckenmühle zu fahren, jetzt wo sie schon mal da waren, und den Männern einen Besuch abzustatten. Auf dem Rückweg würde er sie wieder bei ihrem Wagen absetzen.
    *
    Der Motor des Audis schnurrte wie eine Katze, während das Tor zu Tobin Kiefers Zufahrt langsam zur Seite glitt. Abgesehen von den Abblendlichtern des Wagens war es stockfinster, denn die letzte funktionierende Straßenlampe stand hundert Meter weiter Richtung Ortskern. In einiger Entfernung neben dem Tor parkte Henk Wawerzineks Motorrad und daneben stand Henk selbst. Von ihm sah Kiefer in der Dunkelheit kaum mehr als einen gedrungenen Schatten und die Glut einer Zigarette, die in regelmäßigen Intervallen orangefarben aufleuchtete.
    Kiefer fuhr auf den Vorplatz und in die Garage. Nachdem sie ausgestiegen waren, blieb Anna einen Moment neben ihm stehen, den Blick starr auf Henks Gestalt gerichtet.
    »Geh rein, ich komme gleich«, sagte Kiefer. Und weil sie nicht gehorchte, packte er sie am Arm und schob sie ein Stück Richtung Haustür.
    »Geh ins Haus. Sofort!«
    Der Befehlston wirkte. Sobald im Haus das Licht anging, schlenderte Kiefer zu seinem Besucher.
    »Später Besuch?«
    »Du setzt dich wirklich voll für Scheelbach ein. Die Jungs waren schwer beeindruckt von deiner Rede. Das kannst du wirklich gut – Leute mitreißen. Rhetorisch und so.«
    »Hast du extra deswegen einen Umweg gemacht? Um mir Komplimente zu machen?« Er sah Henk in der Dunkelheit grinsen.
    »Nicht nur. Die Kameraden und ich, wir wollen dir ein Angebot unterbreiten.«
    Kiefer schwieg, starrte Henk nur herausfordernd an. Im Hintergrund brauste ein Übertragungswagen Richtung Wald. Kiefer erinnerte sich, das Auto vor der Gemeindehalle gesehen zu haben.
    Sein Mitarbeiter räusperte sich.
    »Wir sorgen dafür, dass die Männer gehen. Und zwar schnell. Für so etwas haben wir unsere Methoden.«
    »Überzeugungsarbeit?«, sagte Kiefer.
    »Genau«, sagte Henk, »Überzeugungsarbeit. Wie in der Politik.«
    »Und was verlangt ihr im Gegenzug?«
    »Unterstützung für unsere Kandidatur.«
    Kiefer steckte die Hände in die Jackentaschen. Er sah zum Waldrand hinüber, wo nichts zu sehen, das Rauschen der Bäume aber umso deutlicher zu hören war.
    »Wenn wir diese Leute aus Scheelbach vertreiben, möchte ich, dass die Dorfgemeinschaft geschlossen dahintersteht. Ein Gemeinschaftsprojekt sozusagen.«
    »Aber wir arbeiten schneller. Und zuverlässiger. Am Wochenende bist du die Typen los.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel, Henk«, entgegnete Kiefer freundlich. »Trotzdem müssen wir in diesem Fall Geduld haben.«
    »Warum?«, fragte Henk trotzig.
    »Weil diese Sache das ganze Dorf angeht. Nicht nur dich und mich.«
    Weil ich nicht will, dass man später hinter vorgehaltener Hand tuschelt, der Kiefer habe Nazischläger engagiert, um sein Haus zurückzubekommen, dachte er. Weil ich will, dass mein Ruf intakt bleibt. Und weil ich will, dass es die Scheelbacher sind, die gemeinsam diesen Albrecht und seine Brut davonjagen. Damit er später angekrochen kommt, um mir die Schreckenmühle für einen Appel und ein Ei zu verkaufen.
    »Ist das so?« Wieder dieses unverschämte Grinsen auf Henks Gesicht.
    »Fahr nach Hause. Du musst morgen früh raus.«
    »Und der Sitz im Gemeinderat?«
    Tobin Kiefer ersparte sich die Antwort. Er ließ seinen Mitarbeiter stehen und ging zur Haustür.
    Henk warf

Weitere Kostenlose Bücher