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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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ehemalige Weißwäsche, Helles, Dunkles, Unterwäsche, Socken und Jeans bunt gemischt – schwammen in einer graurosafarbenen Brühe.
    Der Temperaturwahlschalter der Waschmaschine stand auf neunzig Grad. Die Waschpulverpackung stand ungeöffnet auf dem Gerät.
    *
    Sieben.
    Das Abendessen wird schweigend eingenommen, was Rosen ganz recht ist. Denn wenn er reden müsste, würde er über kurz oder lang sowieso wieder anfangen zu heulen.
    Zu allem Überfluss hat Adam die Titelseite der BILD-Zeitung auf dem Tisch ausgebreitet. Sie bekommen sie von den Polizisten draußen geschenkt, nachdem diese sie ausgelesen haben. Wieder einmal Fotos von ihnen, aber viel kleiner als die Aufnahme eines Mannes, der in einer Schlagzeile als ›Der Held von Scheelbach‹ gelobt wird. Er sieht aus wie ein Politiker und benimmt sich wohl auch wie einer: Tobin Kiefer, der Ortsvorsteher, kämpft unermüdlich gegen die Monster in der Nachbarschaft. Mit den Monstern meint die Zeitung sie.
    Adam und er warten bis sieben, aber nachdem Tibursky nicht auftaucht, misst Rosen seinen Blutzucker und dann fangen sie ohne ihn an. Überraschend gesellt sich ihr Mitbewohner doch noch zu ihnen. Tibursky streicht sich über die feuchten Bartstoppeln und lässt sich auf einen Stuhl fallen. Er legt einen Handzettel auf den Tisch, Rosen muss sich anstrengen, um ihn zu entziffern, denn für ihn steht die Schrift auf dem Kopf.
    Es ist eine Einladung zum Dorffest.
    Hieß es nicht, das Dorffest sollte abgesagt werden?
    Schmallippig konfrontiert Lefeber Tibursky mit dem Ergebnis seiner Wäsche. Er legt eine rosafarbene Socke auf den Tisch, direkt vor dessen Teller. Tibursky entschuldigt sich wenig überzeugend, worauf Lefeber ihn mit Vorwürfen bombardiert. Schweigend lässt Tibursky die Tiraden über sich ergehen.
    Nachdem er sich beruhigt hat, erzählt Lefeber von Willis Flucht und bittet Tibursky, die Augen offen zu halten, wenn er draußen im Wald unterwegs ist.
    Wortlos nimmt Tibursky eine Brotscheibe, häuft Wurst, Käse und Gurken darauf, bedient sich geradezu unverschämt. Er stopft sich den Mund voll und kaut mit dicken Backen. Rosen beobachtet ihn mit Abscheu, der Mann hat keinen Respekt vor den Lebensmitteln. Er frisst wie ein Tier, nur darauf bedacht, möglichst schnell seinen Hunger zu stillen. Rosen erinnert sich, was er im Gefängnis über ihn gehört hat: Tibursky hat Frauen versprochen, sie zu heiraten, und sie dann um ihr ganzes Vermögen gebracht. Viele Frauen sind auf ihn hereingefallen, immer wieder. Wie ihm das bei seinen Tischmanieren gelungen sein soll, bleibt Rosen unverständlich.
    Als Tibursky gegessen hat, trennt er fein säuberlich einen Gutschein ab, der sich im unteren Teil des Handzettels befindet. Ein freies Getränk, 0,2 Liter, zur Verfügung gestellt von der Brauerei Kiefer, offizieller Sponsor des Spessart Timbersports Tournament. Rosen weiß nicht, was das bedeutet, aber neben dem Text erkennt er die Umrisslinien einer Kettensäge und eines Pokals. Tibursky lässt den Gutschein in seiner Hosentasche verschwinden.
    »Was wollen Sie mit dem Gutschein?«, erkundigt sich Adam.
    »Nix«, sagt Tibursky schnell. »Des is nur eine Marotte von mir.«
    »Sie wollen nicht etwa auf das Fest gehen?«
    »Würd mir im Läwe net einfalle.«
    »Erinnern Sie sich, was Frau Winter uns geraten hat? Sich eine Weile unsichtbar zu machen? Den Dörflern Gelegenheit geben, sich zu beruhigen?«
    »Isch bin ja ned taub.«
    Lefeber fixiert Tibursky mit seinen grünen Augen, doch der starrt unverwandt zurück. Dann springt er auf, schiebt seinen Stuhl an den Tisch und räumt sein Geschirr zusammen, um es in die Küche zu tragen. Bevor Tibursky den Raum verlässt, wendet er sich an Rosen: »Tut mir leid, das mit Ihrem Willi.«
    Rosen bedankt sich der Höflichkeit halber. Auch wenn er an der Aufrichtigkeit von Tiburskys Mitgefühl zweifelt.
    »Heut Nachmittach hab isch ihn womöglisch sogar gesehe.«
    Rosen horcht auf. Was hat er gesagt?
    »Da war so ein kleiner, gelb-blauer auf einem Ast über mir gesesse, kaane zehn Meter von mir entfennt.«
    Gelb-grün, korrigiert Rosen ihn. Willi habe ein gelb-grün gemustertes Federkleid.
    »Ja, gelb-grün, jetzt wo Sie’s sache! Ganz sischer. Net weit von hier.«
    Rosens Herz schlägt bis zum Hals. Vielleicht ist doch nicht alles verloren. Ob er ihm die Stelle zeigen könne, jetzt sofort?
    »Hören Sie auf damit, Tibursky!«, fährt Lefeber dazwischen. Er solle sich nicht über Rosen lustig machen.
    Tibursky zuckt mit

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