Die volle Wahrheit
seinen besonderen Leistungen lag, sondern daran, dass sich die anderen Schüler so dumm anstellten. Bei diesem Sport verhielten sie sich so wie bei jedem anderen: Sie stürmten schreiend los und benutzten das Schwert wie eine Keule. Für William bedeutete das: Wenn er dem ersten wilden Hieb ausweichen konnte, hatte er praktisch schon gewonnen.
Er ließ das Schwert in der Truhe.
Nach kurzem Nachdenken nahm er eine alte Socke und stopfte die Flasche des Apothekers hinein. Es gehörte nicht zu seinem Plan, jemanden mit Glassplittern zu verletzen.
Pfefferminz! Keine schlechte Wahl, aber sie hatten nicht gewusst, was sonst noch zur Verfügung stand.
Frau Arkanum glaubte sehr an den Nutzen von Tüllgardinen, denn durch sie konnte man nach draußen blicken, ohne dass jemand hereinsehen konnte. William lauerte eine Zeit lang hinter der Gardine in seinem Zimmer, bis er sicher sein konnte, dass der undeutliche Schemen auf den Dächern der anderen Straßenseite ein Wasserspeier war.
Normalerweise gab es hier keine Wasserspeier, ebenso wenig wie in der Schimmerstraße.
Er verließ seinen Platz am Fenster, ging die Treppe hinunter und dachte dabei daran, dass Wasserspeier keine Langeweile kannten. Es machte ihnen überhaupt nichts aus, tagelang an einem Ort zu verweilen und irgendetwas zu beobachten. Andererseits bewegten sie sich zwar schneller, als viele Menschen glaubten, aber sie waren nicht schneller als Menschen.
William lief so schnell durch die Küche, dass er nur hörte, wie Frau Arkanum nach Luft schnappte. Dann verließ er das Haus durch den rückwärtigen Ausgang, schwang sich über die Mauer und sprintete durch die dahinter liegende Gasse.
Jemand fegte dort. Für einen Augenblick fragte er sich, ob er es mit einem verkleideten Wächter zu tun hatte, vielleicht sogar mit der getarnten Schwester Jennifer, aber vermutlich würde sich niemand als Gnoll verkleiden. Dazu hätte man sich zum Beispiel einen Komposthaufen auf den Rücken schnallen müssen. Was Gnolle nicht aßen, sammelten sie wie besessen. Bisher hatte sich niemand mit diesem Phänomen befasst, um es zu erklären. Vielleicht war eine sorgfältig angelegte Sammlung aus halb verfaultem Kohl ein Indiz für den Status in der Gnoll-Gesellschaft.
»‘ar’tn’n, H’rr W’rd«, krächzte das Wesen und stützte sich auf den Besen.
»Äh… hallo… äh…«
»S’n’g’k.«
»Ah? Ja. Danke. Auf Wiedersehen.«
Er eilte durch eine andere Gasse, überquerte die Straße und setzte den
Weg durch eine weitere Gasse fort. Er wusste nicht, wie viele Wasserspeier ihn beobachteten, aber sie brauchten Zeit, um auf die andere Straßenseite zu gelangen…
Woher hatte der Gnoll seinen Namen gekannt? Sie waren sich wohl kaum bei einer Party oder dergleichen begegnet. Außerdem arbeiteten die Gnolle alle für… Paul König…
Nun, die Leute sagten, dass der König des Goldenen Flusses nie jemanden vergaß, der ihm Geld schuldete…
William hastete weiter und nutzte dabei das Labyrinth aus schmalen Durchgängen, kleinen Höfen und dunklen Passagen so gut wie möglich aus. Eine normale Person war bestimmt nicht imstande, ihn zu verfolgen, aber die Anwesenheit einer normalen Person hätte ihn in diesem Zusammenhang sehr überrascht. Mumm hielt sich für einen einfachen Polizisten, so wie sich Paul König für eine Art Rohdiamant hielt. William vermutete, dass die Welt übersät war mit Leuten, die sie beim Wort genommen hatten.
Er wurde langsamer, stieg eine Treppe hinauf und wartete.
Du bist ein Narr, sagte sein innerer Lektor. Jemand hat versucht, dich umzubringen. Du verbirgst Informationen vor der Wache. Du lässt dich mit sonderbaren Leuten ein. Was du jetzt vorhast, wird Mumm so sehr in die Nase steigen, dass es ihm den Helm hebt. Und warum?
Wegen der Aufregung, dachte er. Und weil ich mich nicht benutzen lassen will. Von niemandem.
Ein leises Geräusch kam vom Ende der Gasse. William hörte es nur deshalb, weil er damit gerechnet hatte. Es klang nach einem Geschöpf, das schnupperte.
Er spähte durchs Halbdunkel und sah eine vierbeinige Gestalt, die zu laufen begann und die Schnauze dabei dicht an den Boden hielt.
William schätzte vorsichtig die Entfernung. Die eigene Unabhängigkeit zu erklären, war eine Sache. Der Angriff auf einen Angehörigen der Wache war etwas ganz anderes.
Er warf die Flasche so, dass sie etwa sechs Meter vor dem Werwolf landete. Dann sprang er von der Treppe auf eine Mauer und von dort auf das Dach eines Aborts, als das Glas
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