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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wissen«, erwiderte der Troll. »Du dich besser beeilen solltest. Ich mich beeilen würde, an deiner Stelle.«
    Das einzige Geräusch war das Ticken der Uhr. William beobachtete besorgt, wie Lord Vetinari noch einmal die Times las und ihn dabei ganz zu vergessen schien.
    »Welch ein interessantes… Dokument«, sagte der Patrizier plötzlich und legte die Zeitung beiseite. »Aber ich möchte fragen… Warum ?« »Es ist nur mein Nachrichtenbrief«, sagte William. »Allerdings ein wenig größer. Äh… die Leute möchten Bescheid wissen.«
    »Welche Leute?«
»Nun… eigentlich alle.«
»Tatsächlich? Haben sie dich darauf hingewiesen?«
William schluckte. »Äh… nein. Aber du weißt ja, dass ich meinen
    Nachrichtenbrief schon seit einer ganzen Weile schreibe…«
    »Er ist für verschiedene ausländische Persönlichkeiten und andere wichtige Leute bestimmt.« Lord Vetinari nickte. »Solche Personen müssen Bescheid wissen. Das gehört zu ihren Aufgaben. Aber du verkaufst dies an jeden auf der Straße, oder?«
    »Ich denke schon, Herr.«
    »Interessant. Nun, stell dir den Staat einmal als eine Art Galeere vor.
    Ich meine ein Schiff mit Ruderern unter Deck und einem Steuermann oben. Es dürfte im Interesse aller Beteiligten liegen, dass das Schiff nicht untergeht, aber ich frage dich: Die Ruderer müssen doch nicht unbedingt von allen Untiefen erfahren, denen die Galeere im letzten Augenblick ausgewichen ist, und auch nicht von den Kollisionen, die es fast gegeben hätte. Solche Hinweise würden die Ruderer nur beunruhigen und sie aus dem Rhythmus bringen. Nur eins müssen sie wissen: wie man rudert. Hmm?«
    »Und dass Verlass auf den Steuermann ist«, sagte William. Er konnte den Satz einfach nicht zurückhalten. Er sprach sich praktisch selbst und blieb in der Luft hängen.
    Lord Vetinari bedachte William mit einem durchdringenden Blick, der etwas länger dauerte als nötig. Dann zeigte sein Gesicht ganz plötzlich ein Lächeln.
    »Natürlich. Das sollten die Ruderer tatsächlich erfahren. Nun, dies ist das Zeitalter der Worte. Sechsundfünfzig Verletzte bei einem Krawall in einer Taverne. Erstaunlich. Welche Neuigkeiten hast du sonst noch für uns?«
    »Nun…, äh… es ist sehr kalt…«
    »Wirklich? Es ist sehr kalt? Meine Güte!« Auf dem Schreibtisch stieß ein kleiner Eisberg an die Seite von Lord Vetinaris Tintenfass. »Ja, und gestern Abend gab es… einen Aufruhr bei einer Kochkunst
    Versammlung.«
»Einen Aufruhr?«
»Nun, vermutlich mehr eine Art Gepolter. * Und jemand hat in seinem
    Gemüsegarten eine komisch gewachsene Karotte gefunden.« »Das nenne ich eine Neuigkeit. In welcher Hinsicht ist sie komisch gewachsen?«
    »Äh… sie hat eine besondere Form, Euer Exzellenz.«
»Darf ich dir einen kleinen Rat geben, Herr de Worde?«
»Ich bitte darum.«
    * Bei Worten gibt es, genau wie bei Fischen einige spezialisierte Exemplare, die nur in bestimmten Riffen überleben können, wo sie aufgrund ihrer besonderen Gestalt und individuellen Gepflogenheiten vor dem Durcheinander des offenen Meeres geschützt sind. Worte wie »Aufruhr« und »Gepolter« finden sich nur in bestimmten Zeitungen (so wie es »Getränke« nur auf gewissen Speisekarten gibt). Bei einem normalen Gespräch verwendet man sie nie.
    »Sei vorsichtig. Die Leute wollen vor allem das hören, was sie bereits kennen. Denk daran. Es verunsichert sie, wenn man ihnen von neuen Dingen erzählt. Damit rechnen sie nicht. Sie möchten zum Beispiel wissen, dass Hunde Menschen beißen. So was kommt immer wieder vor. Sie wollen nicht hören, dass jemand einen Hund beißt, weil das in einer normalen Welt nicht geschehen sollte. Kurz gesagt: Die Leute glauben, dass sie Neues hören wollen, doch in Wirklichkeit wünschen sie sich Altes. Wie ich sehe, hast du das bereits erkannt.«
    »Ja, Herr«, sagte William. Er wusste nicht, ob er alles verstand, aber eins stand fest: Der Teil, den er verstanden hatte, gefiel ihm nicht besonders.
    »Ich glaube, die Graveursgilde möchte das eine oder andere mit Herrn Gutenhügel besprechen, William; aber ich war immer der Ansicht, dass wir in die Zukunft schreiten sollten.«
    »Ja, Herr. Es ist ziemlich schwer, eine andere Richtung einzuschlagen.«
    Wieder richtete Lord Vetinari einen ziemlich langen Blick auf William, dann lösten sich seine Gesichtszüge ruckartig aus der Starre.
    »In der Tat. Ich wünsche dir einen guten Tag, Herr de Worde. Oh… und sei auf der Hut. Du möchtest sicher nicht zu einer

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