Die volle Wahrheit
nicht besonders gut aus, ob-
gleich er zusammen mit Herrn Tulpe einige der besser ausgestatteten
Tempel und Kapel en besucht hatte – bei einer Gelegenheit waren sie
mit dem Auftrag gekommen, einen Hohepriester umzubringen, der so
dumm gewesen war, Frank »Spinner« Nimmschnel hereinzulegen. Die
wenigen Dinge, die sich dabei in ihm festgesetzt hatten, ließen es ihm
nun angeraten erscheinen, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu
schenken. Er dachte daran, den Hinterbliebenen ein wenig Geld zu
schicken oder einige der gestohlenen Objekte zurückzugeben. Viel eicht
begann er sogar damit, Dienstags kein Fleisch zu essen, oder was auch
immer man tun beziehungsweise nicht tun musste. Möglicherweise
fühlte sich sein Kopf dann nicht mehr so an, als wäre er hinten aufge-
schraubt.
Herr Nadel wusste auch, dass er dies al es auf später verschieben
musste. Derzeit ließ ihnen der besondere Ehrenkodex nur zwei Mög-
lichkeiten: Sie konnten Schrägs Anweisungen buchstäblich befolgen,
was bedeutete, dass sie sich ihren Ruf von Tüchtigkeit und Effizienz
bewahrten; oder sie murksten Schräg ab, vielleicht auch noch einige
andere, und legten anschließend beim Verlassen der Stadt hier und dort
Feuer. Auch solche Dinge sprachen sich herum. Die Leute würden er-
kennen, wie sauer sie gewesen waren.
»Aber zuerst…« Herr Nadel unterbrach sich und fügte mit erstickter
Stimme hinzu: »Steht jemand hinter mir?«
»Nein«, sagte Herr Tulpe.
»Ich dachte, ich hätte… Schritte gehört.«
»Außer uns ist niemand hier.«
»Gut.« Herr Nadel schauderte, strich dann seine Jacke glatt und mus-
terte Herrn Tulpe von Kopf bis Fuß.
»Du sol test ein wenig mehr auf Sauberkeit achten. Meine Güte, du
hinterlässt praktisch eine Spur aus Staub!«
»Ich werde schon damit fertig«, erwiderte Herr Tulpe. »Dieses Zeug
macht mich wachsam und immer bereit.«
Nadel seufzte. Herr Tulpe setzte erstaunliches Vertrauen in den Inhalt
der nächsten Tüte, woraus auch immer er bestehen mochte. Vermutlich
handelte es sich um Katzenflohpulver, verschnitten mit Schuppen.
»Gewalt funktioniert bei Schräg nicht«, sagte er.
Herr Tulpe ließ die Fingerknöchel knacken. »Gewalt funktioniert im-
mer«, entgegnete er.
»Nein. Jemand wie er ist sehr stark, in jeder Hinsicht.« Nadel klopfte
auf seine Jacke. »Es wird Zeit, dass Herr Schräg meinen kleinen Freund
kennen lernt.«
Ein Brett knal te auf die verkrustete Oberfläche des Ankh. Arnold
Seitwärts verlagerte vorsichtig sein Gewicht, biss fest ins Seil und ließ
sich auf die Planke hinab. Sie sank ein wenig tiefer in die breiige Masse, schwamm aber weiterhin – wenn man in diesem Zusammenhang wirklich von »schwimmen« reden konnte.
Etwa anderthalb Meter entfernt hatte der erste in den Fluss geworfe-
ne Sack eine Mulde hinterlassen, die sich allmählich mit Wasser füllte –
falls man wirklich von »Wasser« reden konnte.
Seitwärts erreichte er das Ende des Bretts, und es gelang ihm, auch
den zweiten Sack mit dem Lasso einzufangen. Er bewegte sich.
»Er hat ihn!«, rief der Entenmann, der unter der Brücke stand und al-
les beobachtete. »Jetzt al e ziehen!«
Mit einem saugenden Geräusch löste sich der Sack aus dem Schlick,
und Arnold nahm darauf Platz, als er ans Ufer gezogen wurde.
»Gut gemacht, Arnold«, sagte der Entenmann, zog Seitwärts vom
Sack herunter und setzte ihn in seinen Rol wagen. »Ich habe wirklich
daran gezweifelt, dass dich die Oberfläche beim gegenwärtigen Stand
der Gezeiten tragen würde!«
»Was für ein Glück, dass mir vor all den Jahren der Karren über die
Beine gefahren ist«, erwiderte Arnold Seitwärts. »Andernfalls wäre ich
eben ertrunken!«
Henry Husten schnitt den Sack auf, und die zweite Gruppe aus klei-
nen Terriern rutschte hustend und niesend zu Boden.
»Ein oder zwei der kleinen Kerle sehen ziemlich mitgenommen aus«,
sagte er. »Soll ich es mit Mund-zu-Mund-Beatmung versuchen?«
»Natürlich nicht, Henry«, erwiderte der Entenmann. »Hast du denn
gar keine Vorstellung von Hygiene?«
»Hü-was?«
»Du darfst keine Hunde küssen«, sagte der Entenmann. »Sie könnten
sich dadurch eine schreckliche Krankheit holen!«
Die Gruppe beobachtete, wie sich die Hunde am Feuer zusammen-
drängten. Arnold und die anderen fragten sich nicht, wie die Terrier in
– beziehungsweise auf – den Fluss gelangt waren. Al e Arten von Din-
gen landeten im Fluss. So etwas geschah ständig. Die Gruppe
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