Die volle Wahrheit
vernehmen. »Die
Sache gefäl t mir noch weniger als das komische Gemüse.«
Gutenhügel schüttelte den Kopf. »Dies ist unheiliger Kram«, sagte er.
»Hör auf, damit herumzuspielen, verstanden?«
»Ich dachte, Zwerge sind nicht religiös«, meinte William.
»Das sind wir auch nicht«, erwiderte Gutenhügel. »Aber wir können
Unheiliges erkennen, wenn wir es sehen. Dieses… Drucken der Dun-
kelheit muss aufhören!«
William schnitt eine Grimasse. Es zeigt die Wahrheit, dachte er. Aber
wie sol en wir die Wahrheit deuten, wenn wir sie sehen? Die ephebiani-
schen Philosophen glauben, dass ein Hase nicht schnel er ist als eine
Schildkröte, und sie können es sogar beweisen. Ist das die Wahrheit? Ein Zauberer sagte einmal, al es bestünde aus kleinen Zahlen, die so schnel
hin und her sausen, dass sie zu Dingen werden. Stimmt das? Ich glaube, viele Ereignisse der vergangenen Tage sind nicht das, was sie zu sein
scheinen, und ich weiß nicht, warum ich das glaube, aber ich glaube, es
entspricht nicht der Wahrheit…
»Ja, Schluss mit diesen Dingen, Otto«, sagte er.
»Da hast du verdammt Recht«, sagte Gutenhügel.
»Ich schlage vor, wir kehren zur Normalität zurück und bringen eine
Zeitung heraus.«
»Meinst du die Normalität, in der irre Priester Hunde einsammeln,
oder die andere, in der Vampire mit bösen Schatten herumpfuschen?«,
fragte Gowdie.
»Ich meine die Normalität davor«, sagte William.
»Oh, ich verstehe. Du meinst, wie damals«, entgegnete Gowdie.
Nach einer Weile wurde es still im Raum, bis auf ein gelegentliches
Schniefen vom anderen Schreibtisch.
William schrieb eine Geschichte über das Feuer. Das war leicht. An-
schließend versuchte er, eine vernünftig klingende Geschichte über die
jüngsten Ereignisse zu schreiben, doch dabei kam er nicht über das
erste Wort hinaus. Auf dem Papier stand »Die«. Ein eindeutiger Artikel.
Das Problem bestand darin, dass al e anderen eindeutigen Dinge ziem-
lich übel waren.
Er hatte was beabsichtigt? Es ging ihm darum, die Leute zu informieren, und bei gewissen Informationen ließ es sich nicht vermeiden, ge-
wisse Leute zu verärgern. Doch gar nichts zu bewirken… Damit hatte William nicht gerechnet. Die Zeitung erschien, und es spielte keine Rol e.
Die Leute akzeptierten einfach al es. Wo lag der Sinn darin, eine weitere Geschichte über den Vetinari-Fal zu schreiben? Nun, es ging dabei um
viele Hunde, und Geschichten über Tiere brachten Menschen immer
großes Interesse entgegen.
»Was hast du erwartet?«, fragte Sacharissa. Sie schien seine Gedanken
zu erraten. »Hast du etwa geglaubt, die Bewohner der Stadt würden
durch die Straßen marschieren? Soweit ich gehört habe, erfreut sich
Vetinari keiner großen Beliebtheit. Viele sind der Ansicht, dass er es
verdient, hinter Schloss und Riegel zu sitzen.«
»Willst du etwa behaupten, die Leute seien nicht an der Wahrheit inte-
ressiert?«
»Weißt du, für die meisten Leute ist es wahr, dass sie Geld brauchen,
um am Ende des Monats ihre Miete zu bezahlen. Nimm nur Ron und
seine Freunde. Was bedeutet ihnen die Wahrheit? Sie wohnen unter
einer Brücke!«
Sie hob ein Blatt liniertes Papier, bis zum Rand gefüllt mit der sorgfäl-
tigen Handschrift einer Person, für die es ungewohnt war, einen Stift in
der Hand zu halten.
»Dies ist der Bericht von der Jahreshauptversammlung des Vereins
für die Käfigvögel in Ankh-Morpork«, sagte Sacharissa. »Er betrifft
ganz gewöhnliche Leute, deren Hobby es ist, Kanarienvögel und so zu
züchten. Der Vorsitzende wohnt direkt neben mir, deshalb hat er mir
das hier gegeben. Diese Dinge sind ihm wichtig! Aber es ist al es
furchtbar langweilig. Es geht um die besten Zuchtergebnisse und um
einige Änderungen der Ausstellungsregeln für Papageien, die zwei
Stunden lang diskutiert wurden. Doch die Diskussionsteilnehmer sind
Leute, die den größten Teil des Tages damit verbringen, Fleisch zu ha-
cken oder Holz zu sägen. Leute, deren unbedeutendes Dasein von an-
deren Personen bestimmt wird. Sie haben keinen Einfluss darauf, wer
die Stadt regiert, aber sie können festlegen, dass Kakadus nicht mit Pa-
pageien zusammen gezeigt werden. Es ist nicht ihre Schuld. So sind die
Dinge nun einmal. Warum sitzt du so da und starrst mich mit offenem
Mund an?«
William schloss den Mund. »Na, schön, ich verstehe…«
»Nein, das bezweifle ich«, erwiderte Sacharissa scharf. »Ich habe in
Twurps Adelsverzeichnis
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