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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nach draußen blicken, ohne dass jemand herein-
    sehen konnte. William lauerte eine Zeit lang hinter der Gardine in sei-
    nem Zimmer, bis er sicher sein konnte, dass der undeutliche Schemen
    auf den Dächern der anderen Straßenseite ein Wasserspeier war.
    Normalerweise gab es hier keine Wasserspeier, ebenso wenig wie in
    der Schimmerstraße.
    Er verließ seinen Platz am Fenster, ging die Treppe hinunter und
    dachte dabei daran, dass Wasserspeier keine Langeweile kannten. Es
    machte ihnen überhaupt nichts aus, tagelang an einem Ort zu verweilen
    und irgendetwas zu beobachten. Andererseits bewegten sie sich zwar schnel er, als viele Menschen glaubten, aber sie waren nicht schneller als Menschen.
    William lief so schnel durch die Küche, dass er nur hörte, wie Frau
    Arkanum nach Luft schnappte. Dann verließ er das Haus durch den
    rückwärtigen Ausgang, schwang sich über die Mauer und sprintete
    durch die dahinter liegende Gasse.
    Jemand fegte dort. Für einen Augenblick fragte er sich, ob er es mit
    einem verkleideten Wächter zu tun hatte, vielleicht sogar mit der ge-
    tarnten Schwester Jennifer, aber vermutlich würde sich niemand als
    Gnoll verkleiden. Dazu hätte man sich zum Beispiel einen Kompost-
    haufen auf den Rücken schnallen müssen. Was Gnolle nicht aßen,
    sammelten sie wie besessen. Bisher hatte sich niemand mit diesem Phä-
    nomen befasst, um es zu erklären. Vielleicht war eine sorgfältig angeleg-
    te Sammlung aus halb verfaultem Kohl ein Indiz für den Status in der
    Gnoll-Gesellschaft.
    »‘ar’tn’n, H’rr W’rd«, krächzte das Wesen und stützte sich auf den Be-
    sen.
    »Äh… hal o… äh…«
    »S’n’g’k.«
    »Ah? Ja. Danke. Auf Wiedersehen.«
    Er eilte durch eine andere Gasse, überquerte die Straße und setzte den
    Weg durch eine weitere Gasse fort. Er wusste nicht, wie viele Wasser-
    speier ihn beobachteten, aber sie brauchten Zeit, um auf die andere
    Straßenseite zu gelangen…
    Woher hatte der Gnoll seinen Namen gekannt? Sie waren sich wohl
    kaum bei einer Party oder dergleichen begegnet. Außerdem arbeiteten
    die Gnolle alle für… Paul König…
    Nun, die Leute sagten, dass der König des Goldenen Flusses nie jemanden vergaß, der ihm Geld schuldete…
    William hastete weiter und nutzte dabei das Labyrinth aus schmalen
    Durchgängen, kleinen Höfen und dunklen Passagen so gut wie möglich
    aus. Eine normale Person war bestimmt nicht imstande, ihn zu verfol-
    gen, aber die Anwesenheit einer normalen Person hätte ihn in diesem
    Zusammenhang sehr überrascht. Mumm hielt sich für einen einfachen
    Polizisten, so wie sich Paul König für eine Art Rohdiamant hielt. Willi-
    am vermutete, dass die Welt übersät war mit Leuten, die sie beim Wort
    genommen hatten.
    Er wurde langsamer, stieg eine Treppe hinauf und wartete.
    Du bist ein Narr, sagte sein innerer Lektor. Jemand hat versucht, dich
    umzubringen. Du verbirgst Informationen vor der Wache. Du lässt
    dich mit sonderbaren Leuten ein. Was du jetzt vorhast, wird Mumm so
    sehr in die Nase steigen, dass es ihm den Helm hebt. Und warum?
    Wegen der Aufregung, dachte er. Und weil ich mich nicht benutzen
    lassen will. Von niemandem.
    Ein leises Geräusch kam vom Ende der Gasse. William hörte es nur
    deshalb, weil er damit gerechnet hatte. Es klang nach einem Geschöpf,
    das schnupperte.
    Er spähte durchs Halbdunkel und sah eine vierbeinige Gestalt, die zu
    laufen begann und die Schnauze dabei dicht an den Boden hielt.
    William schätzte vorsichtig die Entfernung. Die eigene Unabhängig-
    keit zu erklären, war eine Sache. Der Angriff auf einen Angehörigen der
    Wache war etwas ganz anderes.
    Er warf die Flasche so, dass sie etwa sechs Meter vor dem Werwolf
    landete. Dann sprang er von der Treppe auf eine Mauer und von dort
    auf das Dach eines Aborts, als das Glas in der Socke mit einem leisen
    »Poff!« zerbrach.
    Jemand jaulte. Kral en kratzten übers Kopfsteinpflaster.
    Vom Dach des Aborts sprang Wil iam auf eine andere Mauer, folgte
    mit kurzen, behutsamen Schritten ihrem Verlauf, kletterte in eine Gasse
    hinab und lief weiter.
    Er versuchte, in den Schatten zu bleiben, nahm Abkürzungen durch
    Gebäude und brauchte fünf Minuten, um den Mietstal zu erreichen. In
    dem geschäftigen Treiben dort fiel er niemandem auf. Er war nur ein
    weiterer Mann, der kam, um sein Pferd zu holen.
    In der Box, die zuvor Tiefer Knochen als Versteck gedient hatte,
    stand nun ein Pferd. Es starrte Wil iam über seine Schnauze hinweg

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