Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
gegeben?«
    »Komm nicht näher! Wag es bloß nicht, noch näher zu kommen!
    Wenn du noch näher kommst… dann schreibe ich al es auf!«
    »Ach? Nun, ich weiß, dass Worte nicht wehtun«, sagte Herr Nadel.
    »Ich habe…«
    Er unterbrach sich und schnitt eine Grimasse. Ein oder zwei Sekun-
    den erweckte er den Eindruck, auf die Knie sinken zu wol en. Dann
    straffte er die Gestalt und sah Sacharissa erneut an.
    »Du kommst mit uns«, entschied er. »Und sag jetzt nicht, dass du
    schreien wirst, denn wir sind hier al ein, und ich habe… viele…
    Schreie… gehört…«
    Erneut schien er dem Zusammenbruch nahe zu sein, und wieder er-
    holte er sich. Sacharissa starrte entsetzt auf die zitternde Armbrust. Die Teile ihres Gehirns, die Stille als Überlebenshilfe vorschlugen, hatten
    sich schließlich doch noch Gehör verschafft.
    »Was ist mit diesen beiden?«, fragte Herr Tulpe. »Murksen wir sie jetzt
    ab?«
    »Kette sie an. Wir lassen sie hier.«
    »Aber wir haben noch nie…«
    »Wir lassen sie hier!«
    »Fühlst du dich nicht gut?«, fragte Herr Tulpe.
    »Nein! Ich fühle mich tatsächlich nicht besonders gut! Wir lassen sie
    hier, klar? Wir haben nicht genug Zeit!«
    »Wir haben jede Menge…«
    » Ich nicht!« Herr Nadel trat zu Sacharissa. »Wer hat dir den Schlüssel gegeben?«
    »Ich werde auf keinen Fal …«
    »Soll ich Herrn Tulpe auffordern, unsere beiden Freunde dort für
    immer zu verabschieden?« Herr Nadel hatte nur vage Vorstel ungen
    vom Universum der Moral, außerdem summte es zwischen seinen
    Schläfen – aber er glaubte, dass damit soweit al es in Ordnung war.
    Immerhin würden die Schatten Herrn Tulpe verfolgen, nicht ihn…
    »Dieses Haus gehört Lord de Worde, und den Schlüssel habe ich von
    seinem Sohn!«, stieß Sacharissa triumphierend hervor. »Ich meine den
    jungen Mann, dem du im Büro der Zeitung begegnet bist! Jetzt wird dir sicher klar, auf was du dich eingelassen hast.«
    Herr Nadel starrte sie an.
    Schließlich sagte er: »Ich werde es bald herausfinden. Renne nicht.
    Und ich rate dir dringend davon ab zu schreien. Geh ganz normal, und alles…« Er zögerte. »Ich wollte gerade sagen ›und alles wird gut‹, aber
    das wäre eine ziemlich dumme Bemerkung, nicht wahr?«

    Mit der Grässlichen Gruppe kam man nur langsam voran. Für sie war
    die Welt eine Mischung aus Theater, Kunstgalerie, Konzertsaal, Restau-
    rant und Spucknapf – alles ständig geöffnet. Außerdem lehnten es alle
    Gruppenmitglieder strikt ab, irgendeinen Ort in einer geraden Linie
    aufzusuchen.
    Der Pudel Fiffiliebling begleitete sie und versuchte die ganze Zeit, im
    Zentrum der Gruppe zu bleiben. Nichts deutete auf die Anwesenheit
    von Tiefer Knochen hin. William hatte angeboten, Wuffel zu tragen,
    denn in gewisser Weise glaubte er, dass der Hund ihm gehörte. Zumin-
    dest gehörte ihm so viel, wie sich für hundert Dol ar kaufen ließ. Er
    besaß diese hundert Dol ar nicht, aber die morgige Ausgabe der Zei-
    tung würde sich bestimmt gut verkaufen. Und wer auch immer es auf
    Wuffel abgesehen hatte… Mitten auf der Straße und am hel lichten Tag
    würde er bestimmt nichts unternehmen. Allerdings verdunkelte der Tag
    sich rasch. Wolken füllten den Himmel wie alte Daunendecken, und die
    dichter werdenden Nebelschwaden vereinten sich mit dem Dunst, der
    vom Fluss kam. Überall strömte das Licht davon.
    William versuchte, eine Schlagzeile zu formulieren. In dieser Hinsicht
    hatte er den Dreh noch nicht ganz raus. Es gab so viel zu erzählen, und
    er verstand sich nicht besonders gut darauf, die Komplexität der Welt
    in weniger als sechs Worten auszudrücken. Sacharissa kam damit besser
    zurecht, denn sie behandelte Worte wie Ansammlungen von Buchsta-
    ben, die beliebig neu zusammengesetzt werden konnten. Ihre bisher
    beste Überschrift betraf eine gildeninterne Auseinandersetzung, und sie
    lautete:
    WILDES
    CHAOS

BEI
GILDEN-

AUFRUHR
    William brachte es einfach noch nicht fertig, Worte allein aufgrund ih-
    rer Länge auszuwählen, während sich Sacharissa innerhalb von zwei
    Tagen daran gewöhnte. Er hatte sie bereits daran hindern müssen, Lord
    Vetinari »STADTBOSS« zu nennen. Wenn man genug Zeit mit einem
    Thesaurus verbrachte, fand man vielleicht tatsächlich solch einen Begriff; außerdem passte er in eine Spalte, aber der Anblick dieses Wortes hatte
    William profundes Unbehagen beschert.
    Zusammen mit der Grässlichen Gruppe betrat er den Schuppen und
    war noch immer so sehr mit sich selbst

Weitere Kostenlose Bücher