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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Wand. »Ja, ich erinnere mich.«
    »Und dann der …te alte Mann in dem Haus in Gennua«, fuhr Herr
    Tulpe fort. »Wir wussten nichts von ihm, nagelten die Tür zu und…«
    »Sei still! Sei still!«
    »Ich wol te dich nur ein wenig aufmuntern.«
    »Es war falsch, all die Leute umzubringen«, sagte Herr Nadel leise wie
    zu sich selbst.
    »Warum denn?«, fragte Herr Tulpe. Herr Nadels Nervosität ließ ihn
    ebenfal s unruhig werden. Er zog an dem Bindfaden an seinem Hals
    und spürte den daran hängenden Klumpen – in schweren Zeiten kann
    eine Kartoffel eine große Hilfe sein.
    Ein Platschen veranlasste ihn, sich erneut umzudrehen. Seine Miene
    erhel te sich.
    »Oh, jetzt wird alles …t gut«, sagte er. »Sieh nur, es regnet.«
    Silberne Tropfen fielen von der Kel erluke herab.
    »Das ist kein Wasser!«, heulte Nadel und stand auf.
    Die Tropfen vereinten sich und wurden zu einem beständigen Strom.
    Er gluckerte sonderbar und sammelte sich unter der Luke, wo er zu
    einem kleinen Hügel erstarrte. Aber von oben kam immer mehr Nach-
    schub, weshalb der silberne Hügel nicht nur höher wurde, sondern
    auch breiter.
    Nadel und Tulpe wichen an die Wand zurück.
    »Das ist heißes Blei«, sagte Nadel. »Die Zeitung wird damit gedruckt!«
    »Und wie viel davon kommt in den …ten Keller?«
    »Oh, hier am Rand kann das flüssige Blei höchstens bis auf fünf oder
    sechs Zentimeter steigen, denke ich.«
    Auf der anderen Seite des Kel ers begann Ottos Werkbank zu schwe-
    len, als die silberne Flut sie erreichte.
    »Wir brauchen etwas, auf dem wir stehen können«, sagte Nadel.
    »Während das Zeug abkühlt! Was hier unten in der Kälte sicher nicht
    lange dauert!«
    »Ja, aber hier gibt es nur uns! Wir sitzen in der …ten Fal e !«
    Herr Nadel hob die Hand vor die Augen und atmete tief durch. Der
    silberne Regen hatte die Luft schon erheblich erwärmt.
    Er ließ die Hand wieder sinken. Herr Tulpe beobachtete ihn gehor-
    sam. Herr Nadel war der Denker.
    »Ich habe einen… Plan«, sagte er.
    »Ja, in Ordnung.«
    »Meine Pläne sind immer ziemlich gut, nicht wahr?«
    »Ja, gelegentlich hast du …te Wunder vol bracht, habe ich immer ge-
    sagt. Zum Beispiel damals, als wir auf deinen Vorschlag hin…«
    »Und ich denke immer an das Wohl der Firma.«
    »Ja, natürlich.«
    »Nun… dieser Plan… Es ist kein perfekter Plan, aber… Ach, was
    soll’s, gib mir einfach deine Kartoffel.«
    »Was?«
    Herr Nadel streckte plötzlich den Arm. Nur wenige Zentimeter blie-
    ben zwischen Herrn Tulpes Hals und der Pistolen-Armbrust.
    »Keine Widerrede! Gib mir die verdammte Kartoffel! Dies ist nicht
    der geeignete Zeitpunkt für dich, mit dem Denken zu beginnen!«
    Herr Tulpe vertraute weiterhin den besonderen Überlebensfähigkei-
    ten von Herrn Nadel, als er sich die Schnur mit der Kartoffel über den
    Kopf zog und sie seinem Partner reichte.
    »Nun«, sagte Herr Nadel, und die eine Seite seines Gesichts zuckte,
    »so wie ich die Sache sehe…«
    »Beeil dich!«, drängte Herr Tulpe. »Das …te Zeug kommt immer nä-
    her!«
    »… so wie ich die Sache sehe… Ich bin klein, Herr Tulpe. Du könntest nicht auf mir stehen. Ich wäre keine Hilfe für dich. Du hingegen bist
    ziemlich groß, Herr Tulpe. Und ich möchte nicht, dass du leidest.«
    Er zog den Abzug. Es war ein guter Schuss.
    »Entschuldige«, flüsterte er, als das Blei platschte. »Es tut mir Leid. Es tut mir sehr Leid. Aber ich bin nicht geboren, um hier zu braten…«

    Herr Tulpe öffnete die Augen.
    Dunkelheit umgab ihn, aber etwas deutete auf Sterne jenseits eines
    bedeckten Himmels hin. Die Luft war unbewegt, doch in der Ferne
    rauschte es, wie Wind in toten Bäumen.
    Er wartete eine Zeitlang, um festzustellen, ob irgendetwas geschah.
    Dann fragte er: »Bin ich ganz allein an diesem …ten Ort?«
    ICH BIN BEI DIR, HERR TULPE.
    Ein Teil der Dunkelheit öffnete seine Augen. Ein doppeltes blaues
    Glühen blickte auf ihn herab.
    »Der …te Mistkerl hat mir die Kartoffel gestohlen. Bist du der …te
    Tod?«
    TOD ALLEIN GENÜGT, DENKE ICH. WAS HAST DU ER-
    WARTET?
    »Erwartet?«
    WELCHE ART VON PARADIES ODER HÖLLE HAST DU DIR
    VORGESTELLT?
    »Oh, ich weiß nicht. Hab …t nie darüber nachgedacht…«
    HAST DU NIE SPEKULIERT?
    »Ich weiß nur, dass alles gut wird, wenn man seine Kartoffel hat.«
    Herr Tulpe wiederholte den Satz, ohne nachzudenken, aber die absolu-
    te Erinnerung der Toten brachte nun al es zurück, aus einer Perspektive
    etwa sechzig Zentimeter über dem Boden

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