Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
sich um eine Arbeitskarte, was bedeutete: Sie wurde oft zu
    Rate gezogen. Überall war sie mit Anmerkungen und Markierungen
    versehen.
    »Wir haben immer jenseits der Stadtmauern nach Eroberern Aus-
    schau gehalten«, sagte der Patrizier. »Wir haben immer geglaubt, die
    Veränderungen kämen von außen, für gewöhnlich von Schwertern be-
    gleitet. Und dann sehen wir uns um und stellen fest, dass der Wandel
    im Kopf einer Person beginnt, die man auf der Straße kaum bemerken
    würde. Unter gewissen Umständen mag es nützlich sein, den betreffen-
    den Kopf zu entfernen, aber seit einiger Zeit gibt es immer mehr da-
    von.«
    Er deutete auf die Karte.
    »Vor tausend Jahren haben wir die Welt für eine Schüssel gehalten«,
    fuhr Lord Vetinari fort. »Vor fünfhundert Jahren wussten wir, dass sie
    eine Kugel ist. Heute hingegen wissen wir: Die Welt ist flach und rund
    und wird auf dem Rücken einer Schildkröte durchs All getragen.« Er
    drehte sich um und bedachte den Hohepriester mit einem weiteren
    Lächeln. »Fragst du dich nicht, welche Form sie morgen haben könn-
    te?«
    Doch eine Eigenschaft der Ridcul ys bestand darin, einen Faden erst
    dann loszulassen, wenn das ganze Kleidungsstück aufgezogen war.
    »Außerdem haben sie kleine Zangen, damit würden sie sich bestimmt
    festhalten…«
    »Wer hat kleine Zangen?«
    »Die Krabben. Damit würden sie sich festhalten und…«
    »Du nimmst meine Ausführungen zu wörtlich, Hochwürden«, sagte
    Vetinari scharf.
    »Oh.«
    »Ich wol te nun Folgendes betonen: Wenn wir die Ereignisse nicht am
    Kragen fassen, packen sie uns an der Kehle.«
    »Das könnte Ärger geben, Herr«, erwiderte Ridcully. Er hatte festge-
    stellt, dass sich diese Bemerkung für jede Debatte eignete. Außerdem
    bewahrheitete sie sich oft.
    Lord Vetinari seufzte. »Nach meinen Erfahrungen bringt praktisch al-
    les Ärger. Das liegt in der Natur der Dinge. Wir können nur mitsingen.«
    Er wandte sich von der Karte ab. »Wie dem auch sei… Ich werde den
    fraglichen Zwergen einen Besuch abstatten.«
    Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, streckte die Hand nach der
    kleinen Glocke aus, zögerte dann und griff stattdessen nach einem
    Rohr aus Messing und Leder. Das Mundstück hatte die Form eines
    Drachen.
    Vetinari pfiff hinein und fragte dann: »Herr Drumknott? Ich brauche
    die Kutsche.«
    Ridcully richtete einen argwöhnischen Blick auf das neue Sprachrohr.
    »Bilde ich es mir nur ein, oder riecht es hier ziemlich streng?«
    Lord Vetinari musterte ihn verwundert und sah dann nach unten.
    Ein Korb stand unter dem Schreibtisch, darin schien ein toter Hund
    zu liegen – Erscheinungsbild und Geruch vermittelten diesen Eindruck.
    Al e vier Beine wiesen nach oben. Nur gelegentlich abgehende Blähun-
    gen ließen den Schluss zu, dass vitale Prozesse stattfanden.
    »Es liegt an seinen Zähnen«, sagte der Patrizier kühl. Der Hund na-
    mens Wuffel drehte sich auf die Seite und sah mit einem schwarzen,
    unheilvollen Auge zu dem Priester auf.
    »Für einen Hund in seinem Alter geht es ihm gut«, sagte Hughnon in
    dem verzweifelten Versuch, an einem sich plötzlich stark neigenden
    Hang emporzuklettern. »Äh, wie alt ist er jetzt?«
    »Sechzehn«, sagte der Patrizier. »In Menschenjahren sind das mehr als
    hundert.«
    Wuffel richtete sich halb auf und knurrte. Ein sehr unangenehmer
    Geruch kam aus den Tiefen des Korbs.
    »Er ist sehr gesund«, sagte Hughnon und versuchte, nicht zu atmen.
    »Für sein Alter, meine ich. Ich schätze, man gewöhnt sich an den Ge-
    ruch.«
    »An welchen Geruch?«, fragte Lord Vetinari.
    »Ah. Ja, natürlich«, sagte Hughnon.

    Lord Vetinaris Kutsche rumpelte durch den Schneeregen in Richtung
    Schimmerstraße. Ihren Insassen hätte es überrascht zu erfahren, dass
    nicht weit entfernt in einem Kel er jemand an die Wand gekettet war,
    der große Ähnlichkeit mit ihm hatte.
    Die Kette war recht lang und ermöglichte es dem Mann, Tisch, Stuhl,
    ein Bett und ein Loch im Boden zu erreichen.
    Derzeit saß er am Tisch. Ihm gegenüber hatte Herr Nadel Platz ge-
    nommen. Herr Tulpe lehnte drohend an der Mauer. Jede einigermaßen
    erfahrene Person hätte sofort das Guter-Polizist-böser-Polizist-Szenario
    erkannt, mit dem Nachteil allerdings, dass es keine Polizisten waren.
    Dafür gab es einen schier unerschöpflichen Vorrat an Herrn Tulpe.
    »Nun… Charlie«, sagte Herr Nadel. »Was hältst du davon?«
    »Es ist doch nicht illegal, oder?«, fragte der Mann namens Charlie.
    Herr Nadel

Weitere Kostenlose Bücher