Die volle Wahrheit
Schreibtisch.
»Ganz oben auf der Seite wirkt es sehr beeindruckend«, sagte sie. »Was
hältst du davon?«
»Was hat es mit dem Fruchtsalat und den Blättern und den anderen
Dingen auf sich?«, fragte William.
Sacharissa errötete. »Dafür bin ich verantwortlich. Ein bisschen inof-
fizielles Gravieren. Ich dachte, dadurch sieht alles… erlesener und so
aus. Äh… gefällt es dir?«
»Oh, es sieht wirklich gut aus«, sagte Wil iam rasch. »Sehr hübsche…
äh… Kirschen…«
»… Weintrauben…«
»Ja, natürlich, ich meinte Weintrauben. Woher stammt das Zitat? Es
ist sehr bedeutungsvol , ohne, äh, zu viel zu bedeuten.«
»Ich glaube, es ist einfach nur ein Zitat«, sagte Sacharissa.
Herr Nadel zündete sich eine Zigarette an und blies Rauch in die noch
immer feuchte Luft des Weinkellers.
»Nun, ich glaube, wir haben es hier mit einem Kommunikationsprob-
lem zu tun«, sagte er. »Ich meine, wir bitten dich nicht darum, ein Buch
oder so auswendig zu lernen. Du brauchst einfach nur Herrn Tulpe hier
anzusehen. Ist das so schwer? Viele Leute schaffen das ohne besondere Ausbildung.«
»Ich habe nur ein wenig die… die Nerven verloren«, sagte Charlie
und versuchte, nicht zu zittern.
»Herr Tulpe ist kein Mann, vor dem man Angst haben muss«, sagte
Herr Nadel, obwohl die aktuelle Realität anders aussah. Herr Tulpe
hatte angeblichen Teufelsstaub gekauft, aber Herr Nadel vermutete,
dass es sich in Wirklichkeit um Kupfersulfat handelte. Es reagierte mit
den Chemikalien der Platte, aus der Herr Tulpes Nachmittagssnack
bestanden hatte, und als Ergebnis produzierte die Stirnhöhle Elektrizi-
tät. Das rechte Auge drehte sich langsam, und Funken schimmerten an
den Nasenhaaren.
»Ich meine, sieht er vielleicht so aus, als müsste man Angst vor ihm
haben?«, fuhr Herr Nadel fort. »Denk daran, dass du Lord Vetinari bist.
Verstanden? Von irgendeinem Wächter lässt du dir nichts gefallen.
Wenn er etwas sagt, siehst du ihn einfach nur an.«
»Etwa so «, sagte Herr Tulpe. Die eine Hälfte seines Gesichts blinkte mehrmals.
Charlie sprang zurück.
»Nun, nicht unbedingt so «, sagte Herr Nadel. »Aber fast.«
»Ich habe genug von dieser Sache!«, jammerte Charlie.
»Zehntausend Dollar, Charlie«, sagte Herr Nadel. »Das ist viel Geld.«
»Ich habe von diesem Vetinari gehört«, meinte Charlie. »Wenn etwas
schief geht, lässt er mich in die Skorpiongrube werfen!«
Herr Nadel breitete die Arme aus. »Nun, die Skorpiongrube ist nicht
so schlimm, wie man immer behauptet.«
»Sie ist ein …tes Picknick im Vergleich mit mir«, brummte Herr Tul-
pe, dessen Nase zu leuchten begann.
Charlies Augen suchten nach einem Ausweg. Unglücklicherweise
glaubte er, dass Schläue einer war. Herr Nadel verabscheute es, wenn
Charlie versuchte, clever zu sein. Genauso gut hätte ein Hund versu-
chen können, auf einer Posaune zu spielen.
»Ich mache es nicht für zehntausend Dol ar«, sagte Charlie. »Ich mei-
ne… ihr braucht mich…«
Er ließ die Worte in der Luft hängen, und Herr Nadel zog in Erwä-
gung, mit Charlie auf die gleiche Weise zu verfahren.
»Wir haben eine Vereinbarung«, sagte er sanft.
»Ja, aber ich schätze, jetzt ist noch mehr Geld drin«, sagte Charlie.
»Was meinst du, Herr Tulpe?«
Tulpe öffnete den Mund, um zu antworten, doch stattdessen nieste
er. Ein kleiner Blitz traf Charlies Kette.
»Viel eicht könnten wir bis auf fünfzehntausend gehen«, sagte Herr
Nadel. »Aber das zusätzliche Geld kommt aus unserem Anteil.«
»Ja, gut…«, erwiderte Charlie. Er wahrte einen möglichst großen Ab-
stand zu Herrn Tulpe, denn sein trockenes Haar hatte sich aufgerichtet.
»Aber dafür erwarten wir, dass du dich mehr anstrengst«, meinte Herr
Nadel. »Und zwar ab sofort. Du brauchst nur zu sagen… Was sollst du
sagen?«
»›Du bist deines Postens enthoben, guter Mann. Geh fort‹«, prokla-
mierte Charlie.
»Aber nicht auf diese Weise, Charlie«, betonte Herr Nadel. »Du er-
teilst einen Befehl. Du bist der Boss. Und du musst einen hochmütigen Blick auf ihn richten. Wie sol ich es dir erklären? Nun, du bist ein La-denbesitzer. Angenommen, jemand möchte bei dir anschreiben las-
sen…«
Es war sechs Uhr morgens. Kalter Nebel hielt die Stadt im Griff.
Durch die grauen Schwaden kamen sie, betraten die Druckerei hinter
dem Eimer und verschwanden wieder im Nebel, auf unterschiedlichen
Beinen, mit Krücken und Rädern.
»Morpikarieh-tis!«
Lord Vetinari
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