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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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einem solchen Viertel zeigten. Wasserspeier
    bevorzugten hohe Steingebäude mit vielen Dachrinnen und einer kniff-
    ligen Architektur, die Tauben anlockte. Selbst Wasserspeier brauchten
    Nahrung.
    Etwas weiter die Straße hinunter geschah etwas. Mehrere große Kar-
    ren standen vor einem alten Lagerhaus. Kisten wurden dort hineinge-
    tragen.
    Auf dem Weg über die Brücke zum Pseudopolisplatz bemerkte Willi-
    am weitere Wasserspeier. Jeder von ihnen drehte den Kopf, um ihn zu
    beobachten.

    Feldwebel Detritus war als wachhabender Polizist im Dienst und richte-
    te einen überraschten Blick auf William.
    »Meine Güte, das schnell war«, sagte er. »Du gelaufen bist den ganzen
    Weg?«
    »Wovon redest du da?«
    »Herr Mumm erst vor einigen Minuten nach dir geschickt hat«, ant-
    wortete Detritus. »Geh nach oben, ich dir rate. Und keine Sorge, er
    nicht mehr schreit.« Er bedachte William mit einem Zum-Glück-bist-
    du-dran-und-nicht-ich-Blick. »Aber er nicht gerade in bester Stimmung
    ist.«
    »Er gehört wohl nicht zu den Leuten, die morgens mit einem fröhli-
    chen Lächeln auf den Lippen erwachen.«

    »Nein, sicher nicht«, bestätigte Detritus mit unheilverkündendem
    Grinsen.
    William ging die Treppe hoch und klopfte an. Die Tür schwang nach
    innen auf.
    Kommandeur Mumm sah von seinem Schreibtisch auf und kniff die
    Augen zusammen.
    »Na, das war schnell«, sagte er. »Bist den ganzen Weg gelaufen, wie?«
    »Nein, Herr. Ich bin aus eigenem Antrieb gekommen, in der Hoff-
    nung, dir einige Fragen stel en zu können.«
    »Wie nett von dir«, kommentierte Mumm.
    William gewann folgenden Eindruck: Zwar herrschte derzeit Frieden
    im kleinen Dorf – Frauen hängten Wäsche auf, Katzen schliefen in der
    Sonne –, aber bald würde der Vulkan ausbrechen und Hunderte unter
    heißer Asche begraben.
    »Nun…«, begann William.
    » Warum hast du das geschrieben?«, fragte Mumm. William bemerkte
    die Times auf dem Schreibtisch, direkt vor dem Kommandeur. Ganz deutlich sah er die Schlagzeilen:

    »Ich bin also verwirrt«, brummte Mumm.
    »Wenn du es nicht bist, Kommandeur, bringe ich in der nächsten
    Ausgabe gern einen Hinweis darauf…«
    »Lass das Notizbuch zu!«
    William hob überrascht den Kopf. Sein Notizbuch gehörte zur be-
    sonders billigen Art und bestand aus so oft recyceltem Papier, dass man
    es als Handtuch benutzen konnte, aber erneut blickte jemand so darauf
    hinab, als wäre es eine Waffe.
    »Ich möchte vermeiden, dass es mir ebenso ergeht wie Herrn Schräg«,
    sagte Mumm.
    »Jedes Wort dieser Geschichte ist wahr, Herr.«
    »Darauf wette ich. Klingt ganz nach seinem Stil.«
    »Wenn mit meiner Berichterstattung irgendetwas nicht stimmt,
    Kommandeur… Sag es mir ganz offen.«
    Mumm lehnte sich zurück und winkte.
    »Willst du al es drucken, was du hörst?«, fragte er. »Willst du in meiner Stadt herumlaufen wie eine außer Kontrolle geratene… Belagerungs-waffe? Du sitzt dort, umklammerst deine kostbare Integrität wie einen
    Teddybär und hast keine Ahnung – das stimmt doch, oder? –, hast
    nicht die geringste Ahnung, wie schwer du mir meine Arbeit machen kannst.«
    »Es verstößt nicht gegen das Gesetz…«
    »Ach, tatsächlich nicht? Bist du sicher? Wir sind hier in Ankh-
    Morpork. Meiner Ansicht nach deutet al es auf ein Verhalten-das-
    wahrscheinlich-den-Frieden-gefährdet hin!«
    »Manche Leute sind vielleicht verärgert, aber es ist wichtig …«
    »Und ich frage mich, was du als Nächstes schreiben wirst.«
    »Ich habe nicht geschrieben, dass du einen Werwolf in der Wache zu-
    gelassen hast«, sagte William. Er bedauerte seine Worte sofort, aber
    Mumm ging ihm auf die Nerven.
    »Wo hast du das gehört?«, ertönte eine Stimme hinter ihm. Er drehte
    sich halb auf dem Stuhl um und sah eine blonde Frau. Sie trug die Uni-
    form der Wache, lehnte an der Wand und schien die ganze Zeit über im
    Zimmer gewesen zu sein.
    »Das ist Feldwebel Angua«, sagte Mumm. »Du kannst in ihrer Ge-
    genwart frei sprechen.«
    »Ich habe… Gerüchte gehört«, sagte Wil iam. Er hatte diese Wächte-
    rin des Öfteren in den Straßen der Stadt gesehen, und dabei war ihm
    aufgefallen, dass sie die Leute zu scharf ansah.
    »Und?«
    »Nun, ich verstehe deine Besorgnis«, sagte William. »Deshalb möchte
    ich dir versichern, dass Korporal Nobbs’ Geheimnis bei mir gut aufge-
    hoben ist.«
    William gratulierte sich selbst. Es war ein Schuss ins Blaue gewesen,
    doch Anguas Gesichtsausdruck wies darauf hin, dass er einen

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