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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zurechtgekommen?«, fragte William.
    »Besser als viele andere vor dir.«
    »Verzeih, dass ich Korporal Nobbs erwähnt habe, aber…«
    »Oh, sei unbesorgt«, sagte Feldwebel Angua. »Deine Beobachtungs-
    gabe wird das Tagesgespräch der Wache sein. Nun, er ist freundlich zu
    dir, weil er noch nicht genau weiß, was du bist, verstehst du? Ich rate
    dir, vorsichtig zu sein.«
    »Und, hast du herausgefunden, was ich bin, ja?«
    »Sagen wir einfach mal, ich verlasse mich nicht auf erste Eindrücke.
    Vorsicht, Stufe.«
    Angua führte Wil iam die Treppe hinunter zu den Zel en. Er stel te
    fest, dass unten zwei Uniformierte Wache hielten, verzichtete aber dar-
    auf, diese Tatsache niederzuschreiben.
    »Sind hier normalerweise Wächter postiert?«, fragte er. »Ich meine, die
    Zellentüren lassen sich doch abschließen.«
    »Wie ich hörte, arbeitet ein Vampir für dich«, sagte Feldwebel Angua.
    »Otto? Oh, ja. Nun, wir haben keine Vorurteile…«
    Angua antwortete nicht, öffnete stattdessen die Tür des Hauptkorri-
    dors und rief: »Besucher für die Patienten, Igor!«
    »In Ordnung, Feldwebel.«
    Unheimliches, flackerndes blaues Licht erhel te den Raum. In dem
    Regal an der einen Wand standen Dutzende von Gläsern, und in man-
    chen davon bewegten sich sehr sonderbare Dinge. Andere Objekte
    schwammen einfach. In einer Ecke gleißten blaue Funken auf einer
    komplexen Maschine, die zum größten Teil aus Kupferkugeln und
    Glasstangen bestand. Doch Williams Aufmerksamkeit galt vor allem
    dem riesigen Auge.
    Bevor er schreien konnte, kam eine Hand nach oben, und was Willi-
    am für ein gewaltiges Auge gehalten hatte, erwies sich als enorm großes
    Vergrößerungsglas – es ließ sich an einem Metal arm drehen, der an
    einer Stirn befestigt war. Für das den Gaumen trocknende Entsetzen
    war das Gesicht der betreffenden Person unglücklicherweise keine Ver-
    besserung.
    Die Augen lagen nicht auf einer Höhe. Ein Ohr war größer als das
    andere. Ein Netzwerk aus Narben durchzog das Gesicht. Noch
    schlimmer erschien William die Frisur: Igors öliges schwarzes Haar war
    nach vorn gekämmt und bildete eine weit überhängende Tol e, in der
    Art der besonders lauten jungen Musiker von Ankh-Morpork. Sie war
    lang genug, einem unschuldigen Fußgänger die Augen auszustechen.
    Allerdings deutete das… organische Erscheinungsbild von Igors Arbeits-bereich darauf hin, dass er beschädigte Augen durch neue ersetzen
    konnte.
    Auf einer Werkbank stand ein Aquarium mit blubberndem Wasser, in
    dem einige Kartoffeln hin und her schwammen.
    »Der junge Igor gehört zu unserer forensischen Abteilung«, sagte
    Feldwebel Angua. »Igor, das ist Herr de Worde. Er möchte deine Pati-
    enten besuchen.«
    William bemerkte den Blick, den Igor Angua zuwarf. »Herr Mumm
    hat’s erlaubt.«
    »Na schön, hier entlang«, sagte Igor und humpelte an Wil iam vorbei
    durch den Korridor. »Es ist immer schön, hier unten Besucher zu emp-
    fangen, Herr de Worde. Du wirst feststellen, daff wir hier Wert auf eine
    entspannte Atmosphäre legen. Ich hole nur schnel die Schlüffel.«
    »Warum lispelt er nur gelegentlich und nicht bei jedem S?«, fragte Wil-
    liam, als Igor zu einem Schrank wankte.
    »Er versucht, modern zu sein. Bist du noch nie zuvor einem Igor be-
    gegnet?«
    »Einem solchen nicht. Er hat zwei Daumen an der rechten Hand!«
    »Er stammt aus Überwald«, erläuterte Feldwebel Angua. »Igors sind
    sehr daran interessiert, sich selbst zu verbessern. Ausgezeichnete Chi-
    rurgen. Aber du sol test ihnen während eines Gewitters nicht die Hand
    schütteln…«
    »Da bin ich wieder«, sagte Igor und humpelte zurück. »Wer zuerst?«
    »Lord Vetinari?«, fragte William.
    »Er schläft noch«, sagte Igor.
    »Was, nach all der Zeit?«
    »Kein Wunder. Er hat einen ziemlich heftigen Schlag gegen den Kopf
    bekommen…«
    Feldwebel Angua hustete laut.
    »Ich dachte, er ist von einem Pferd gefal en«, sagte William.
    »Nun, ja… Und er bekam einen Schlag gegen den Kopf, alf er auf
    den Boden pral te, kein Zweifel«, erwiderte Igor und warf Angua erneut
    einen kurzen Blick zu.
    Dann drehte er den Schlüssel im Schloss.
    Lord Vetinari lag auf einem schmalen Bett. Er war ein wenig blass
    und schien friedlich zu schlafen.
    »Er ist nicht ein einziges Mal aufgewacht?«, fragte Wil iam.
    »Nein. Al e fünfzehn Minuten oder fo faue ich nach ihm. So etwas
    kommt durchaus vor. Manchmal sagt der Körper einfach nur: schlaf.«
    »Wie ich hörte, hat er sonst kaum

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