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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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diese sich knarrend öffnete.
    Die Neuankömmlinge wurden aus dunklen Ecken gemustert. Sie trugen
    schwarze Kleidung, aber das wol te nicht viel heißen. Jeder konnte
    schwarze Kleidung tragen.
    Sie traten zur Theke, und Herr Nadel klopfte auf fleckiges Holz.
    Der Wirt nickte. Seiner Ansicht nach kam es vor al em darauf an, dass
    gewöhnliche Leute ihre Getränke sofort bezahlten. Anschreiben war
    nicht gut fürs Geschäft. Es verriet ungerechtfertigten Optimismus im
    Hinblick auf die Zukunft.
    »Was kann ich…«, begann er, bevor Herr Tulpes Hand ihn am Na-
    cken packte und seinen Kopf auf die Theke schmetterte.
    »Ich habe keinen sehr angenehmen Tag hinter mir«, wandte sich Herr
    Nadel an die Welt im Al gemeinen. »Und mein Begleiter Herr Tulpe
    leidet an ungelösten Persönlichkeitskonflikten. Hat jemand irgendwel-
    che Fragen?«
    Eine undeutlich zu erkennende Hand hob sich in der Düsternis.
    »Welcher Koch?«, fragte eine Stimme.
    Herr Nadel öffnete den Mund, um zu antworten, und sah dann sei-
    nen Kol egen an, der seinen Blick über die angebotenen Getränke
    schweifen ließ. Alle Cocktails sind klebrig; die in der Bahre neigten dazu, noch klebriger zu sein.
    »Da steht ›Tötet den Koch! !‹«, sagte die Stimme.

    * Abgesehen von denen, die sich in der Mäßigungsmission am Harmonium
    versammelt hatten und nervös Lieder darüber sangen, wie sehr sie Kakao
    mochten.
    Herr Tulpe rammte zwei lange Kebab-Spieße in die Theke. Sie blie-
    ben zitternd im Holz stecken. »Welche Köche habt ihr?«, grol te er.
    »Das ist eine gute Schürze«, sagte die Stimme aus dem Dunklen.
    »Al e meine …ten Freunde beneiden mich darum«, knurrte Herr Tul-
    pe.
    In der Stille hörte Herr Nadel, wie die unsichtbaren Gäste die mögliche Anzahl der Freunde von Herrn Tulpe berechneten. Es war keine Berechnung, die einfache Denker dazu veranlasste, ihre Schuhe auszuzie-
    hen.
    »Ah, gut«, meinte jemand.
    »Nun, wir wollen keinen Ärger mit euch«, sagte Herr Nadel. »Zumin-
    dest nicht direkt. Wir möchten nur mit einem Werwolf reden.«
    »Warum?«, ertönte eine andere Stimme in der Düsternis.
    »Wir haben einen Job für ihn«, erklärte Herr Nadel.
    Leises Lachen erklang in der Dunkelheit, und eine Gestalt schlurfte
    näher. Sie war etwa so groß wie Herr Nadel, hatte spitz zulaufende Oh-
    ren und eine Frisur, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie sich unter
    der zerlumpten Kleidung bis zu den Fußknöcheln fortsetzte. Einzelne
    Haarbüschel ragten aus Löchern im Hemd und wuchsen auch auf den
    Handrücken.
    »Ich bin ein halber Werwolf«, sagte die Gestalt.
    »Welche Hälfte von dir meinst du?«
    »Das ist ein sehr komischer Witz.«
    »Kannst du mit Hunden sprechen?«
    Der angeblich halbe Werwolf sah zum verborgenen Publikum, und
    zum ersten Mal spürte Herr Nadel so etwas wie Unruhe. Der Anblick
    von Herrn Tulpes sich langsam drehendem Auge und seiner pulsieren-
    den Stirn hatte hier nicht den üblichen Effekt. Es raschelte in der Dun-
    kelheit. Irgendwo kicherte jemand.
    »Ja«, sagte der Werwolf.
    Ach, was soll’s?, dachte Herr Nadel. Mit einer fließenden Bewegung
    holte er die kleine Pistolenarmbrust hervor und hielt sie nur einen Zol
    entfernt vor das Gesicht des Werwolfs.
    »Der Bolzen hat eine silberne Spitze«, sagte er.
    Die Gestalt vor ihm reagierte mit einer Schnelligkeit, die ihn verblüff-
    te. Plötzlich spürte er eine Hand am Nacken, und fünf kral enartige
    Fingernägel bohrten sich in seine Haut.
    »Diese nicht«, sagte der Werwolf. »Mal sehen, welche Finger sich als
    Erste bewegen…«
    »Ja, in Ordnung«, sagte Herr Tulpe, der etwas in der Hand hielt.
    »Das ist nur eine Gril gabel«, meinte der Werwolf nach einem flüchti-
    gen Blick.
    »Möchtest du feststel en, wie schnel ich die …te Gabel werfen
    kann?«, fragte Herr Tulpe.
    Herr Nadel versuchte zu schlucken, aber es gelang ihm nicht ganz.
    Tote, so wusste er, konnten ihre Finger kaum mehr bewegen. Aber es
    waren mindestens zehn Schritte bis zur Tür, und die Entfernung schien
    mit jedem Herzschlag zu wachsen.
    »He«, sagte er. »Das ist nicht nötig, in Ordnung? Ich schlage vor, wir
    entspannen uns ein wenig. Und es würde mir leichter fal en, mit dir in
    deiner wahren Gestalt zu reden.«
    »Kein Problem, mein Freund.«
    Der Werwolf zuckte und schüttelte sich, ohne Herrn Nadels Nacken
    loszulassen. Sein Gesicht wurde zu einer Grimasse, in der die einzelnen
    Züge miteinander verschmolzen. Unter anderen Umständen fand Herr
    Nadel durchaus

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