Die vollkommene Kämpferin (German Edition)
gegenüber. Ein Bösewicht und ein Held. Seltsam, wie austauschbar diese Rollen zwischen ihnen waren.
„Du kannst ihn nicht haben“, sagte James, und seine Stimme klang rau.
„Ich werde dich nur noch einmal fragen“, warnte ihn Henry. „Wenn du meine Frage nicht beantwortest, werde ich Castor an einen Ort bringen, an dem nicht einmal du ihn ausfindig machen kannst. Wo ist Kate?“
James schüttelte den Kopf. Seine Augen glitzerten, doch er sagte nichts. Natürlich nicht. Für ihn war das hier bloß eine Herausforderung – eine Gelegenheit, eine Schlacht in ihrem immerwährenden Krieg gegeneinander zu gewinnen. Alles andere kam für ihn an zweiter Stelle, selbst Kates Sicherheit. Selbst Kates Leben. James musste bewusst sein, dass, wenn es einen Weg gab, sie zu töten und Rache an Henry zu üben, Pollux ihn finden würde. Und doch war es ihm gleichgültig.
Langsam atmete Henry tief ein und zwang sich, Ruhe zu bewahren. „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Egospielchen. Ihr Leben könnte auf dem Spiel stehen, wenn du mir nicht sagst, wo sie ist.“
„Sie ist jetzt unsterblich, verdammt“, fuhr James ihn an. „Und Lux ist nicht das Monster, für das du ihn hältst.“
„Mein Bruder würde ihr niemals wehtun“, fiel Castor ein, einen stählernen Ausdruck in den Augen, den Henry bewunderte. Mut im Angesicht der größten Angst. Kein Wunder, dass die Zwillinge einen solchen Ruf genossen.
„Genauso, wie ich dir niemals wehtun würde“, erwiderte Henry. Das schien Castor zu bezweifeln, was Henry nicht weiter überraschte. Castor vertraute ihm genauso sehr, wie Henry seinem Bruder Pollux vertraute. „Wenn ihr irgendetwas zustößt, James, geht das auf dein Konto.“
James verdrehte die Augen, und alles in Henry schrie danach, ihn zurück in den Olymp zu schmettern. Doch er blieb ruhig, so wie fast immer. Auch wenn seine Brüder das zu glauben schienen, führte Zorn höchst selten zu einer Lösung.
„Also gut. Dann betrachte das als dein Werk.“ Im einen Moment war Henry noch vor ihnen, im nächsten stand er neben Castor und berührte ihn an der Schulter. James’ Augen weiteten sich, und hastig griff er nach Castor. Doch bevor er ihn erreichen konnte, sorgte Henry dafür, dass er ins Leere griff.
KATE
Jene Nacht war eine der längsten meines Lebens. Stundenlang folgte ich Lux durch den Wald, während er versuchte, unseren Weg zurückzuverfolgen und seinen Bruder zu finden. Als endlich die Sonne aufging, war ich zu Tode erschöpft. Nicht einmal das stundenlange Warten im Krankenhaus ein paar Monate zuvor, als meine Mutter operiert worden war, hatte mich seelisch derart ausgelaugt.
„Lux, wir sind schon fünfmal hier vorbeigekommen“, versuchte ich ihm klarzumachen und stieg mühsam über einen umgestürzten Baum. „Er ist nicht hier.“
„Irgendwo muss er sein.“ Lux schob einen herunterhängenden Ast so heftig beiseite, dass er zerbrach und zu Boden fiel.
„Aber nicht hier.“ Allmählich befürchtete ich, dass, wenn wir Casey nicht bald fänden, Lux derjenige sein würde, der zerbrach. Ein wenig hatte er sich wieder unter Kontrolle bekommen, nachdem wir Casey und James verloren hatten, aber seine Augen funkelten wild, sämtliche Muskeln waren angespannt, und jedes Wort aus seinem Mund glich einem Fauchen. Wenn er überhaupt etwas sagte.
„Vielleicht sollten wir an einem Ort bleiben und dort warten“, schlug ich vor. „James und Casey werden uns schon finden.“
Lux schüttelte den Kopf und bückte sich, um hinter einem Felsen nachzusehen, hinter dem unmöglich Platz für sie beide gewesen wäre. „Er weiß, dass ich nach ihm suche und dass er sich nicht vom Fleck rühren soll, selbst wenn es für die beiden einfacher wäre, uns zu finden, als andersherum.“
„Und warum?“, fragte ich und schob mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Mittlerweile hätte ich alles für ein Haarband gegeben, ganz zu schweigen von einer heißen Dusche und einem weichen Bett.
Er warf mir einen seltsamen Blick zu, bei dem ich mich ungefähr so groß wie eine Fliege fühlte. Ohne meine Frage einer Antwort zu würdigen, widmete er sich weiter seiner Suche. Ärgerlich murmelte ich vor mich hin. Von mir aus. Noch ein Geheimnis. War ja nicht so, als hätten die Götter davon nicht sowieso schon genug.
„Vielleicht sollten wir einfach zu der Hütte zurückgehen“, machte ich einen neuen Versuch. „Wahrscheinlich warten sie dort schon auf uns und …“
„Nein, tun sie nicht“, erklang es hinter mir in
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