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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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ihnen zu tun haben. Wenn sie nicht das ganze Brot
haben konnte, wollte sie lieber überhaupt nichts davon essen. In Julia, die
sich noch mit einer Rinde oder sogar noch mit den Krümeln zufrieden gab, weckte
diese Haltung anfangs so etwas wie Ehrfurcht, dann eine leichte Gereiztheit.
Sie sah in ihrer Tochter ein Muster an Vollkommenheit, aber sie hielt sie doch
auch für einen Snob.
    Sie kann nichts dafür, dachte Julia
loyal; sie ist so wundervoll erzogen worden.
    Das brachte sie ihrer Schwiegermutter
gegenüber zum Ausdruck, und die alte Dame freute sich. „Jeder mag Susan gern“,
sagte sie. „Sie war das beliebteste Mädchen in der Schule — alle wollten sie in
den Ferien zu sich einladen — und jetzt im College scheint es genau dasselbe zu
sein. Außerdem wird sie immer in jedes Komitee gewählt.“
    Julia glaubte es gern. Susan war das
geborene Vorstandsmitglied — gerecht, taktvoll und von einer so anmutigen
Würde. Sie hätte im Parlament sitzen sollen.
    „Ich bin immer so froh gewesen“, fuhr
Mrs. Packett fort, deren Worte mit Julias Gedanken zusammenklangen, „daß es mit
dieser ganzen Hetze gegen die Suffragetten ein Ende hat, weil ich dachte, wenn
Susan sich für die Politik entscheiden würde, könnte sie es jetzt tun, ohne
sich irgend etwas zu vergeben. Wir hörten sie einmal bei einer öffentlichen
Diskussion in der Schule reden, und ihr Großvater sagte, sie habe einen
ausgesprochen männlichen Verstand.“ Julia und Mrs. Packett gehörten beide zu
den Frauen, die sich über eine derartige Bemerkung freuen. „Wenn Bryan es
einmal zum Lordkanzler bringen sollte, wird sie eine hervorragende Hausfrau für
ihn abgeben.“
    Julia antwortete nicht; nicht etwa
deshalb, weil sie ihrer Tochter das nicht zutraute, sondern erstens, weil sie
fest davon überzeugt war, daß Bryan niemals irgend etwas dergleichen werden
würde, und zweitens, weil sie es allmählich ein bißchen leid geworden war,
immer über andere Leute zu reden. Sie wollte gern ein wenig von sich selbst
sprechen; aber von der Schwierigkeit abgesehen, einen aufmerksamen Zuhörer zu
finden, war sie in diesem Hause nun eben kein passender Gesprächsgegenstand.
    „Es muß schrecklich gewesen sein, sich
selbst an den Laternen und Gartenzäunen festzuketten“, sagte die alte Mrs.
Packett plötzlich, „aber ich glaube bestimmt, ein Schaufenster hätte ich auch
einwerfen können.“
     
    *
     
    Das Behagen, mit dem Julia sich in Les
Sapins häuslich einrichtete, war vermutlich auf die Tatsache zurückzuführen,
daß sie sowohl geistig wie körperlich in einem sehr übermüdeten Zustand hier
angekommen war. Sie war es daher für den Augenblick ganz zufrieden, ruhig in
der Sonne zu sitzen, kurze Spaziergänge durch den Garten zu machen und zu
regelmäßigen Zeiten höchst schmackhafte Mahlzeiten einzunehmen. Sie las die „Daily
Mail“, stopfte ihre Strümpfe und hielt nach Tisch ein Nachmittagsschläfchen.
Ihre Schwiegermutter zeigte ihr verschiedene neue Patiencen, auch fand sie in
einem Schrank zwischen alten Büchern ein englisches Handbuch der Wahrsagekunst.
    Julia hatte eine Schwäche fürs
Wahrsagen und legte sich dreimal täglich die Karten, aber sie glaubte nur an
die günstigste Prophezeiung. Diese Beschäftigung brachte sie in freundliche
Beziehungen zu Anthelmine, der Köchin, die immer, wenn Julia auf einem
Gartentisch ihre Karten auslegte, von hinten auftauchte und in laute Ausrufe
der Teilnahme oder Überraschung ausbrach. Besonders lebhaft äußerte sie sich
über die Pik-Drei, die nach Julias System nur eine leichte Enttäuschung
bedeutete; da aber Anthelmine im Gegensatz zu Claudia nicht Englisch sprach, konnte
Julia nicht herausfinden, warum. Sie dachte daran, Susan zu bitten, es
herauszufinden, fürchtete jedoch, das Mißfallen ihrer Tochter zu erregen.
Anthelmine sah natürlich nur zu, aber hin und wieder setzte sie sich zu diesem
Zweck auch an den Tisch. Sie hatte eine imposante Figur, keineswegs groß, aber
so breit um die Hüften, daß drei Katzen gleichzeitig bequem in ihrem Schatten
Platz finden konnten. Julia hatte persönlich nichts dagegen, daß Anthelmine
sich zu ihr setzte, sie fürchtete nur manchmal, daß Susan, die etwas weiter weg
zwischen den Weinstöcken umherging, glauben könnte, ihre Mutter spiele mit der
Köchin Karten...
    Und ich brächte das auch glatt fertig,
gestand sich Julia bekümmert ein. Ich habe eben keinen Stolz. Trotzdem ließ sie
Anthelmine gewähren, und Anthelmine, die in der Küche zu

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