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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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einen
Feldblumenstrauß?“
    „Einen Feldblumenstrauß“, sagte Julia.
Sie liebte ja Rosen mehr, aber sie wollte sich dankbar erweisen.
    Bryan trat näher und schlängelte sich
an den Tisch. „Und ich?“ fragte er. „Was bekomme ich in mein Zimmer?“
    „Du hast Blumen genug“, sagte Susan. „Du
hast noch den ganzen Strauß, den wir gestern gepflückt haben.“
    „Aber ich möchte jetzt einen von dir.
Gib mir eine Rose, Susan.“
    Errötend, lächelnd, sehr hübsch brach
sie eine gelbe Knospe ab. Bryan nahm sie mit gebührender Dankbarkeit in
Empfang. Aber seine Augen waren nicht auf Susan gerichtet, sondern blickten
über ihre Schultern hinweg, mit spöttischem Triumph, Julia an.
     
    *
     
    An jenem Nachmittag, unmittelbar nach
Tisch, begab sich Julia nach draußen, um einen Baum zu betrachten. Susan und
Mrs. Packett waren beide in der Lage, sich volle drei Minuten lang in die
Betrachtung eines Baumes zu versenken, und Julias natürlicher Nachahmungstrieb
wollte sich diese Fähigkeit auch aneignen. Es muß eine besondere Bewandtnis
damit haben, dachte sie, irgendeine geheimnisvolle Beziehung zwischen
Gartenstühlen und der Vornehmheit, die sie so sehr bewunderte. Denn ihre
Tochter und ihre Schwiegermutter standen darin keineswegs einzig da. Bei jeder
wirklichen Lady, der sie bisher begegnet war — die meisten von ihnen hatte sie
in Barton kennengelernt —, hatte Julia die gleiche Reaktion beobachtet. An
jenem Dienstagnachmittag machte sich Julia also auf den Weg, um festzustellen,
wie sie selbst darauf reagierte.
    Sie hatte sich ihr Versuchsobjekt schon
am Tage vorher ausgewählt — einen kleinen Mirabellenbaum mit harten, gelblichen
Früchten. Verglichen mit den Pinien, sah er natürlich wie eine billige
Ansichtspostkarte aus, aber gerade aus diesem Grunde, meinte Julia, würde es
ihr nicht so schwerfallen. Zu den Pinien konnte sie sich immer noch
emporarbeiten.
    Der Mirabellenbaum stand auf der oberen
Terrasse, und als sie, mit einem Gartenstuhl unter dem Arm, den gewundenen Pfad
hinaufging, sah Julia sich aufmerksam um. Der Blick war wirklich hübsch und um
so hübscher, als die Weinstöcke arg vernachlässigt waren. Zwischen ihren Reihen
stand der Baum grün überwuchert von Klee und wilden Erdbeeren. An den Stöcken,
an denen sich der Draht gelockert hatte, hingen dichtbelaubte, vom Sulfat
türkisblau gefärbte Ranken herunter und vermengten sich mit den hohen,
blühenden Gräsern. Julia sah dies alles, und bis zu einem gewissen Grade genoß
sie es auch. Aber der Stuhl schlug ihr gegen die Knöchel, und sie beschloß,
jede Betrachtung sein zu lassen, bis sie sich bequem hingesetzt hatte.
    Der Pfad wand sich empor, an der
zweiten Biegung lief er durch ein kleines Wäldchen von Nußbäumen, die zum Teil
an der Grenze des Weinberges, zum Teil auf dem Rücken eines vorspringenden
Felsens wuchsen. In den Felsen waren ein paar Stufen eingehauen, und als Julia
durch die Nußbaumzweige spähte, konnte sie die Borkenwände eines winzigen,
verfallenen Pavillons sehen. Aber sie gestattete sich keine Ablenkung, sondern
stieg unbeirrt aufwärts, obwohl es vor Hitze kaum noch auszuhalten war, zu der
oberen Terrasse und dem Mirabellenbaum.
    Der reinste Backofen, dachte Julia, als
sie ihren Stuhl aufstellte, und tatsächlich flimmerte die ganze Ebene unter ihr
wie in einem glühenden Nebel. Die Dächer und Kirchtürme von Belley, die
kleineren Dörfchen leuchteten hell, aber unwirklich daraus hervor. Hier und da
erhoben sich, reizvoll über die Fläche verstreut, niedrige, kegelförmige Hügel,
jeder von einem Kranz Pappeln umsäumt, und das Ganze wirkte in diesem Licht
viel eher wie ein schönes Gemälde als wie eine wirkliche Landschaft, mehr wie
ein altes Heiligenbild, in dem die Gestalten der Bibel und keine gewöhnlichen
Bauern den Vordergrund belebten. Julia brauchte nur einen einzigen Blick darauf
zu werfen, um die Aussicht wunderschön zu finden.
    Dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl
zurück, sah auf die Uhr und gab sich ganz dem Anblick des Mirabellenbaumes hin.
Er neigte sich anmutig zu ihr, als erwidere er ihre Aufmerksamkeit. Seine
kleinen, harten Früchte, schon leicht gesprenkelt, ließen sie an Vogeleier
denken. In einem Mooskörbchen mußten sie sicher reizend aussehen, wie die Eier
des Regenpfeifers, und Julia fragte sich, wann sie wohl reif sein würden. Ob
die Nüsse in dem kleinen Gehölz, durch das sie gerade gekommen war, schon reif
waren? Von da oben sahen die Bäume nur noch wie Büsche aus,

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