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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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für
Teegebäck auszudenken. Und Susan—Susan wäre noch schlimmer; zweifellos
teilnahmsvoll, aber gewiß auch etwas peinlich berührt, daß irgend jemand, den
sie kannte, ein solches Hasenherz haben konnte... Nicht einer, dachte Julia
verzweifelt.
    Der Donner grollte weiter, und wieder
fand sie sich vor Sir Williams Tür. Trotz der drückenden Schwüle erschauerte
sie von Kopf bis Fuß; eine große Verzweiflung, ein Vorgefühl kommenden Unheils
packte und schüttelte sie. Sie konnte kein Glied rühren, sie stand dort an die
Wand gedrückt und wartete auf den nächsten Donnerschlag.
    Als er endlich kam, klang er schon viel
weiter entfernt. Gleich darauf begann es wieder in Strömen zu gießen, ein
Zeichen, daß das Unwetter vorüber war. Julia riß sich zusammen und kroch wieder
in ihr Bett.
     
    *
     
    Um halb sieben am anderen Morgen stand
Bryan in der prallen Morgensonne auf der Terrasse unter Susans Fenster und warf
Kies in ihr Zimmer. Schon die zweite Handvoll brachte Susan ans Fenster, und
ein Teil der Steinchen fiel auf ihn zurück.
    „Hör auf!“ rief sie. „Du hast schon
mein ganzes Bett vollgeworfen.“
    „Tut mir leid“, sagte Bryan und wich
dem Steinregen aus. „Ich hätte es mit Rosen versucht, aber sie lassen sich so
schlecht werfen. Wie geht es dir heute morgen, Liebling?“
    „Wie es mir geht? Gut natürlich. Wie
soll es mir denn sonst gehen?“
    „Ich dachte, das Gewitter hätte dich
vielleicht beunruhigt. Ich wäre beinahe rübergekommen, um deine Hand zu halten.“
    „Gut, daß du es nicht versucht hast“,
sagte Susan sachlich. „Die Haustür war nämlich verriegelt, und kein Mensch
hätte dich gehört. Wie spät ist es denn?“
    „Halb sieben, und das Wetter ist
einfach himmlisch. Komm runter und riech, wie schön es riecht.“ Er kam
plötzlich näher und stellte sich dicht unter ihr Fenster. Es war so niedrig,
daß er das Fensterbrett mit seinem ausgestreckten Arm erreichen konnte. „Spring
runter, ich fang’ dich auf.“ Susan lachte. „Idiot! Ich bin ja noch im Pyjama.“
    „Was macht denn das schon, zum Teufel!
Es ist ja noch kein Mensch auf. Zieh dir ein paar Pantoffeln an und meinetwegen
auch ‘nen Mantel, wenn’s sein muß, aber paß auf, daß du nicht im Efeu hängen
bleibst.“
    Susans blonder Kopf — so leuchtend, so
entzückend — verschwand plötzlich. „In fünf Minuten bin ich unten“, rief sie. „Hol
dir unterdes ein paar ordentliche Schuhe, wir können dann auf den Felsen
klettern.“
    Eine ganze Weile blieb Bryan auf
demselben Fleck stehen und sah auf seine Füße in den leichten Sandalen
hinunter. Sie waren quatschnaß, und ebenso war seine hellbraune Hose bis zum
Knie durchtränkt. Denn et war geradewegs durch das Gebüsch zum Haus hinaufgelaufen,
um den Weg abzukürzen. Er sah auf seine Füße hinunter und dann auf zu Susans
Fenster. Dann machte er kehrt, nahm einen Anlauf und sprang mit einem Satz auf
die Brüstung, wechselte den Schritt wie ein gut trainiertes Pferd und warf sich
kopfüber in das hohe Gras. Es triefte noch vom Regen, und er wälzte sich darin.
Die Sonne brannte heiß, die Regentropfen waren eiskalt— und er hätte vor
Vergnügen laut aufschreien mögen. Aber er hielt an sich. Susan war nicht
gekommen, als er es wollte, jetzt sollte sie ihn ruhig eine Weile suchen...
    Aber Susan wäre niemals auf den
Gedanken gekommen, ihn mitten im nassen Gras zu suchen.
     
    *
     
    Eine merkwürdige Folge von Sir Williams
Ankunft war, daß die Last ihres nicht ganz einwandfrei erworbenen Reichtums,
die Julia bisher ohne größere Beschwerden ausgehalten hatte, plötzlich
unerträglich drückend zu werden begann. Sie verstand es selbst nicht recht. Sie
wußte nur, daß die restlichen vierhundert Francs ihre Handtasche und ihr Herz
wie Blei beschwerten. Diesem Zustand mußte ein Ende gemacht werden, und in der
nachmittäglichen Hitze zog sich Julia, während alle anderen ruhten, in ihr
Zimmer zurück und opferte dort einem unbekannten Gott.
    Es hätte sich besser ausgenommen —
sogar sehr viel besser —, wenn sie die ganze Summe hätte zurückschicken können;
aber Mr. Rickaby würde schon verstehen. Immerhin machten die verbleibenden
Geldscheine, zusammengefaltet, ein ganz stattliches Päckchen aus. Julia sah es
liebevoll an, aber ihre Hand zögerte nicht, als sie den Umschlag an das Beau-Site-Hotel
adressierte. Einen Augenblick dachte sie auch daran, einen Brief zu schreiben;
es kam ihr so unfreundlich vor, das Geld ohne ein Wort zurückzusenden.

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