Die Vollstrecker
glänzend amüsiert, wenn er mich hier hätte sehen können. Mein Gesichtsausdruck sprach Bände.
Damit hätte ich nicht gerechnet. Purdy Prentiss war eine Frau, aber sie war auch eine Erscheinung. Als Staatsanwältin hätte sie mit ihrem Aussehen gut und gern in eine TV-Serie gepaßt. Sie war jung. Ihr Alter mußte zwischen 30 und 35 Jahren liegen. Das glatte Blondhaar wuchs üppig auf ihrem Kopf. Es war pagenhaft frisiert worden und endete an den Seiten in Höhe der Ohrläppchen. Eine kleine Nase, ein herzförmiger Mund, ein energisches Kinn, helle Augen und Brauen, die sich beinahe über der Nasenwurzel trafen. Mit einem gewinnenden Lächeln schaute sie mich an, vielleicht auch etwas spöttisch.
»Ich bin Purdy Prentiss, Mr. Sinclair, auch wenn Sie enttäuscht sein sollten.«
»Nein, im Gegenteil. Ich hatte mir eigentlich keine Vorstellung von ihnen gemacht. Und wenn, dann ist es wohl eine falsche gewesen. Aber ich bin angenehm überrascht.«
Purdy Prentiss trug eine weiße Bluse und ein dunkelgraues Kostüm mit knielangem Rock. Auf dem Tisch standen bereits zwei Tassen und eine mit Kaffee gefüllte Warmhaltekanne.
»Wenn Sie Tee möchten, Mr. Sinclair, kann ich ihn sofort bestellen.«
»Nein, danke, Kaffe ist mir schon recht.« Ich war noch immer ein wenig durcheinander und wartete, bis sie sich wieder auf den Stuhl gesetzt hatte.
Danach ließ auch ich mich nieder. Da ihre Tasse noch gefüllt war, schenkte nur ich mir Kaffee ein. Auf Milch verzichtete ich und auf Zucker ebenfalls.
Purdy Prentiss rührte ihren Kaffee um und lächelte dabei. »Von Ihnen habe ich schon gehört, Mr. Sinclair. Gewisse Dinge sprechen sich eben herum, und deshalb nehme ich an, daß Sie der richtige Mann für meine Probleme sind.«
»Die nichts mit Ihrem eigentlichen Beruf zu tun haben, denke ich mir – oder?«
»Nein, sie sind privater Natur. Ich glaube auch, daß ich in Ihnen den richtigen Menschen gefunden habe, der mir hilft oder zumindest einen Rat gibt.«
»Okay, um was geht es?«
»Um meine Träume.«
Die Antwort warf mich fast vom Stuhl. Da sich so etwas nicht gehörte, blieb ich zunächst sitzen und schaute in meine Kaffeetasse. Gedanken über das Motiv der Frau hatte ich mir keine gemacht oder nur wenige. Ihre Aussage hatte mich doch überraschend getroffen.
»Warum sagen Sie nichts, Mr. Sinclair?«
Ich schaute wieder hoch. »Habe ich Sie richtig verstanden? Es geht um Ihre Träume?«
»Ja.«
Ich blickte sie an und konnte nicht erkennen, ob sie mich angelogen hatte. Die klaren und offenen Augen sagten eigentlich genug. Hier spielte mir niemand Theater vor, und so etwas war man im Regelfall von einer Staatsanwältin, die sich immer an die Fakten halten mußte, auch gar nicht gewohnt.
»Sie sind überrascht, nicht wahr?«
»Das bin ich tatsächlich. Damit hätte ich nicht gerechnet, Mrs. Prentiss. Ich meine, Sir James hat auch nichts in dieser Richtung hin angedeutet. Ich weiß, daß jeder Mensch träumt. Da bilde auch ich keine Ausnahme. Aber was genau ist an Ihren Träumen denn so schlimm, daß Sie meine Hilfe brauchen?«
»Ich wollte einen Fachmann.«
»Kann ich mir denken, Mrs. Prentiss. Nichts gegen Ihren Entschluß, aber ich bin kein Traumdeuter. Kein Spezialist, kein Psychologe, der Ihnen da groß weiterhelfen kann.«
»Das weiß ich selbst.«
»Und trotzdem sitzen wir jetzt zusammen.«
Sie nickte.
»Warum gerade ich?«
»Weil es bestimmte Träume sind. Ich habe zudem den Eindruck, daß ich es dabei nicht einfach nur mit irgendwelchen Träumen zu tun habe, sondern schon mit einer Wahrheit konfrontiert worden bin. Mit einer ganz speziellen.«
»Welche?«
»Da muß ich länger ausholen.«
»Ich habe Zeit.«
Sie lehnte sich zurück und lächelte, obwohl ihr sicherlich nicht danach zumute war. Der klare Blick ihrer Augen verdüsterte sich, und mit leiser Stimme begann sie ihren Bericht. Sie sprach so sanft, daß es mir schwerfiel, sie mir als Staatsanwältin vorzustellen, wo sie mit scharfer Stimme die Anklagen formulierte oder die entsprechenden Zeugen befragte. Es ging darum, daß sie schon des öfteren von einer Frau träumte, die in einer wilden Welt als Kämpferin agierte und sich gegen schreckliche Wesen durchsetzen mußte. Dabei traf sie immer auf einen Schwertkämpfer, den sie mir genau beschrieb. Einen großen Mann mit langen dunklen Haaren. Sie beide kämpften Seite an Seite und hatten es immer geschafft, die Feinde zurückzuschlagen.
»Wie sahen die denn aus?« fragte ich
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