Die Vollstrecker
Sinclair.«
Ich tat es. Ja, die Hände waren hornig und hart. Damit konnte sie schon einige Gegner niederstrecken, was sie auch getan hatte. Diese Frau war ein Phänomen. Mittlerweile wußte ich, warum sie mich um Rat gefragt hatte. Mit einem derartigen Phänomen konnte sie einfach nicht zurechtkommen, weil sie nichts mit den Dingen zu tun gehabt hatte, die außerhalb der Realität liegen.
»Was sagen Sie dazu, Mr. Sinclair?«
Ich zuckte die Achseln. »Es ist nicht leicht, einen Kommentar abzugeben. Ich würde behaupten, daß es ein Erbe der Vergangenheit ist. Das Erbe der Person, deren Tod Sie so hautnah und extrem erlebt haben. Mehr nicht.«
»Stimmt. Es ist ein Erbe, das man mir mitgegeben hat. Ich habe schon einiges über die Wiedergeburt in den letzten beiden Tagen gelesen. Ich bin durcheinander, denn der eine Autor schreibt so und der andere so. Aber ich habe das Phänomen, das wir widerfahren ist, nicht gefunden. Dafür gab es keine Erklärung, aber ich habe ein Erbe mit auf den Weg bekommen. Da brauchen Sie sich nur meine Hände anzuschauen und wissen Bescheid.«
Ich trank wieder einen Schluck Kaffee. »Ein Erbe«, sagte ich mit leiser Stimme. »Ja, es deutet darauf hin, daß es Sie erwischt hat. Tut mir leid, aber…«
»Nein, nein, es braucht Ihnen nicht leid zu tun. Ich tue mir selbst auch nicht leid. Wissen Sie, ich bin eine Frau, die den Dingen auf den Grund gehen will. Das soll hier auch so sein. Ich will über bestimmte Fakten Bescheid wissen. Ich weiß selbst, daß ich mir das alles nicht eingebildet habe. Die andere Frau war ich, und ich war die andere Frau. So ist das.«
»Ja«, sagte ich und nickte. »So ist das. Aber ich frage mich, was ich für Sie tun kann.«
»Mir einen Teil meiner Angst oder Befürchtungen nehmen.«
»Und wie sähe das aus?«
»Ganz einfach, Mr. Sinclair. Ich befürchte nämlich, daß ich mich wieder rückverwandeln könnte. Ich habe die Hornhaut auf meinen Händen bekommen. Ich bin jetzt die Kämpferin, die ich in meinem früheren Leben einmal war.« Sie senkte ihre Stimme. »Ich will Ihnen noch etwas sagen, Mr. Sinclair. Ich kann es. Ob Sie es glauben oder nicht. Ich beherrsche den Kampf. Ich habe es ausprobiert in meiner Wohnung. Es kam mir vor, als wäre ich eine Meisterin in der Kunst der Karate. Ich fürchte mich vor keinem Gegner mehr. Ich wurde wach, stand auf, sah meine Hände und wußte, daß ich kämpfen konnte.«
»Sollten Sie das nicht positiv sehen, Mrs. Prentiss?«
»Nein, nicht in meinem Fall. Wenn ich mir die Künste in jahrelanger Übung beigebracht hätte, wäre ich Ihrer Meinung. Aber nicht so. Nicht auf diesem völlig unüblichen Weg, den ich nicht erklären kann, Mr. Sinclair. Das ist etwas, was mein Denken sprengt. Ich komme mir schon jetzt aus dem normalen Leben, das ich führe, herausgerissen vor. Das ist einfach zu hoch für mich. Ich könnte mir immer wieder selbst gegen die Stirn schlagen und mich fragen, in welch einen Kreislauf ich da hineingeraten bin. Ich sehe keinen Grund. Es gibt kein Motiv, es sei denn die Vergangenheit – und damit meine ich mein erstes Leben – kocht wieder hoch, damit ich es hier in dieser Zeit weiterführen kann. Nicht als Staatsanwältin, sondern als Kämpferin.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Dazu fehlen mir die Gegner.« Und sehr leise fügte sie hinzu. »Noch…«
Ich wußte, worauf diese realistisch eingestellte Frau hinauswollte. »Rechnen Sie damit, daß Sie von den Feinden verfolgt werden, die Sie aus Ihrem ersten Leben kennen?«
Purdy Prentiss nickte sehr eifrig. »Sie können mich meinetwegen auslachen, aber damit rechne ich.«
»Interessant.«
»Sie sollten mir glauben. Sie sind der Mann, der tagtäglich mit dem Unmöglichen konfrontiert wird. Oder liege ich da so falsch?«
»Nein, bestimmt nicht. Das Unmögliche, wie Sie es ausdrücken, ist für mich die Normalität. Es ist nur so, Mrs. Prentiss. Selbst ich, der ich viel gewohnt bin, muß noch darüber nachdenken und auch damit fertig werden.«
»Das glaube ich Ihnen gern, Mr. Sinclair. Aber ich fühle mich in meiner eigenen Haut nicht mehr wohl.
Bis vor zwei Tagen dachte ich noch, nur eine Person zu sein. So wie alle anderen Menschen auch. Das ist nun vorbei. Ich fühle mich als zwei Personen in einer, denn ich habe etwas von der ersten übernommen, das ich perfekt beherrsche. Eine Kampfkunst, Mr. Sinclair. Ich könnte mit diesen Handkanten Bretter durchschlagen, was ich im übrigen schon getan habe. Jetzt bin ich an einem Punkt
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