Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
den Glauben zu beschützen, dabei interessiert euch nur die Truhe. Der Codex. Das Vermächtnis des Teufels ist euch wichtiger als der Glaube an Gott. Ihr seid ebenso verdammt wie die Ketzer in Braunau.«
»Ist sie’s?«
Der Abt machte die Augen auf und schenkte Cyprian einen mörderischen Blick. »Natürlich nicht.«
Cyprian schaute zu Andrej. Andrej nickte mit finsterer Miene. »Die Esel sind viel zu friedlich«, sagte er.
Cyprian streckte die Hand aus. »Geben Sie mir den Schlüssel.«
»Fahren Sie zur Hölle!«
»Da fahren wir alle hin. Geben Sie mir den Schlüssel.«
Der Abt schüttelte den Kopf. Cyprian atmete tief ein.
»Gut«, sagte er dann. »Wir handhaben das wie erwachsene Männer. Gehen wir ein Stück beiseite – und dann hören Sie uns ein paar Augenblicke lang zu und vergessen, dass Sie meinem Onkel die Schuld an allem geben wollen, was in Ihrem Leben in den letzten Jahren schiefgelaufen ist.« Cyprian fühlte Andrejs Seitenblick und räusperte sich. »Bitte«, fügte er schließlich hinzu.
Der dicke Mönch trat an den Abt heran und machte sich daran, ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Der Abt schüttelte ihn ab. Cyprian musterte ihn.
»Was für ein Amt bekleiden Sie?«
»Ich bin der Bruder Kellermeister.«
»Wissen Sie, was in dieser Truhe verwahrt wird?«
»Alle beamteten Brüder wissen es«, sagte der Kellermeister und schlug das Kreuz.
»Ehrwürdiger Vater, wir werden jetzt mit Ihrem Kellermeister reden«, sagte Cyprian. »Ich will ganz ehrlich sein: Esist mir vollkommen egal, ob Sie daran teilnehmen oder nicht. Und mir ist es auch egal, ob ich Sie nachher im Schnee wälzen muss, um Ihnen den Schlüssel abzunehmen. Ich möchte das gern wie unter vernünftigen Männern regeln. Aber mein Freund und ich sind nicht in Begleitung der halben Leibwache von Kardinal Khlesl wie von allen Furien gehetzt hierher geritten, um uns von Ihnen Knüppel zwischen die Beine werfen zu lassen.«
»Cyprian …«
»Der Teufel hole Sie und Ihren Onkel und alle Ihre Freunde!«
»Und ich sage: Der Herr beschütze uns alle und die Ihren. Sind wir jetzt quitt?«
Der Abt winkte zwei weitere Mönche heran. Cyprian erinnerte sich an den einen von ihnen von ihrem letzten Besuch in Braunau. Es war der nervöse Torhüter. Er schien jetzt nicht mehr nervös. Der andere stellte sich als der Novizenmeister heraus. Sie begaben sich ein paar Schritte abseits.
»Kardinal Khlesl und Andrej von Langenfels …«, sagte Cyprian, und Andrej verbeugte sich knapp, »… haben eine Theorie. Sie lautet, dass Ihnen während der Unruhen nach Kaiser Rudolfs Tod die Teufelsbibel gestohlen worden ist.«
»Sie haben doch gesehen …«, begann der Abt.
»Warten Sie. Sie wissen, dass es zwei Exemplare des Codex gibt – das Original aus dem Kloster von Podlaschitz und die Kopie, die Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen hat anfertigen lassen? Und dass Kaiser Rudolf, als er den Codex vor fast fünfundzwanzig Jahren dem Braunauer Kloster abgenommen hat, in Wirklichkeit nur die Kopie ausgehändigt bekam? Die Kopie, in der der Schlüssel zu dem Code fehlt, in dem die Teufelsbibel verfasst ist?«
Abt Wolfgang nickte. Die drei anderen Mönche machten große Augen. Wie es schien, hatte der ehrwürdige Vater sie nicht in alle Details eingeweiht. Die Männer waren schlau genug, schweigend zuzuhören. Cyprian spürte die Blicke der gemeinen Mönche im Rücken und ihre ängstliche Neugier wie Finger, die sein Rückgrat auf und ab fuhren. Er dämpfte seine Stimme noch weiter.
»Sofort nach Kaiser Rudolfs Tod hat mein Onkel veranlasst, dass dessen Exemplar aus dem Kuriositätenkabinett entfernt wurde. Es war klar, dass Matthias von Habsburg seinen Bruder um die Kaiserkrone beerben würde, und Matthias’ Abneigung gegen Rudolfs Wunderkammer war allseits bekannt. Die Gefahr war zu groß, dass jemand die Teufelsbibel in die Finger bekäme und erkennen würde, dass es sich nicht um das Original handelte – und dass dann die Jagd auf den Codex erneut losgehen würde.«
»Die Kustoden haben das Original mit ihrem Leben beschützt«, sagte Abt Wolfgang.
»Kardinal Khlesl hatte bei seiner Aktion die Hilfe von Reichskanzler Zdenk von Lobkowicz und Ordensmeister Jan Lohelius, der jetzt Erzbischof von Prag ist. Er hat die Kopie der Teufelsbibel gut verstecken lassen.«
»Als wir Ende letzten Jahres von unserem Besuch bei Ihnen nach Prag zurückkehrten, haben wir das Versteck aufgesucht«, fuhr Andrej fort. »Die Truhe war da, aber sie enthielt
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