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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Filippo. Sie machte eine leichte Kopfbewegung. Filippos Erstarrung löste sich. Er sah sie auf sich zugleiten und wusste, dass er den Raum verlassen sollte. Zu seiner Überraschung kam sie mit ihm. Als sie die Tür schloss, hörte er eine der beiden Frauen mit den Mönchskutten, deren Ehemänner, Leonhard Colonna von Fels und Andreas Graf von Schlick, zu den einflussreichsten Vertretern der böhmischen Stände gehörten, sagen: »Wir fegen den Papst und die ganze katholische Krankheit hinweg. Sagt es euren Männern. Die Ständeversammlung muss den Krieg wollen …«
    Die Tür schloss sich. Filippo blinzelte krampfhaft, um den Zauber der kerzenerleuchteten Kapelle abzustreifen. Seine Gastgeberin, auch im grauen Halbdämmer des Ganges eine ätherische Erscheinung, lächelte.
    »Und womit lassen sich die Männer leichter lenken als mit der neu erwachten Schönheit und Leidenschaft ihrer Frauen?«
    »Mit der Aussicht auf Macht«, sagte Filippo mit einiger Anstrengung.
    Er hörte sie lachen. »Sie werden sich mit Ersterem zufriedengeben müssen. Denken Sie, dass sie das tun, Freund Filippo?«
    »Die Schwachen unter ihnen schon.«
    »Es gibt keine Starken mehr. Nicht heutzutage.«
    Filippo neigte den Kopf. »Sie führen die Welt in den Krieg.«
    »Das ist der Weg«, sagte sie. »Enttäuschen Sie mich nicht,indem Sie jetzt erstaunt tun. Das ist der Weg, und ich werde ihn gehen.«
    Er neigte den Kopf erneut. Und dann hörte er sie zu seinem namenlosen Entsetzen sagen: »Und was ist Ihr Weg, Freund Filippo? Hören Sie auf, sich die Frage zu stellen. Sie haben ihn doch schon gefunden.«
    Fassungslos starrte er ihr nach, als sie den Gang hinunterschritt und um eine Biegung verschwand. Es schien, als nähme sie das Licht mit sich. Die Schatten sammelten sich zu Filippos Füßen. Es schien aber auch, dass er plötzlich wieder freier atmen konnte.
    2
    Agnes hatte versucht, sich mit Arbeit zu betäuben. Sie hatte persönlich die Betreuung Leonas übernommen, die von ihrer Reise durch die Januarkälte zuerst in ein brüllend heißes Fieber und danach in eine Art Halbwachzustand gefallen war, abwechselnd schaudernd, nach Luft ringend, hustend, unzusammenhängend redend oder an die Zimmerdecke starrend, während Tränen über ihre verbrauchten Wangen rannen. Agnes hatte sich bemüht, in Brünn Erkundigungen einzuziehen, was mit Leonas Ziehtochter geschehen war, doch es verhielt sich so, wie Andrej letztes Jahr prophezeit hatte: Die Geschäftsverbindung nach Brünn bestand nicht mehr, und außer mehreren kühlen Absagen von Vilém Vlach hatte sie keine Antwort erhalten. Leona war nicht bei Sinnen genug, um vernünftige Informationen aus ihr herauszubekommen. Es schien, dass sie jeden Tag ein bisschen dünner, ein bisschen grauer, ein bisschen durchsichtiger wurde, und das Bett um sie herum begann, riesige Dimensionen anzunehmen, während sie in die Matratze sank. Es war, als nehme ihr Verfall ihre Beerdigung bereits vorweg.
    Noch jemand schien sich von Tag zu Tag zu entfernen, ohne dass Agnes gewusst hätte, was sie dagegen tun konnte. Alexandra hatte sich anfangs mit Agnes in der Betreuung der alten Kindermagd abgewechselt, doch dann hatte sie immer öfter ihre Pflicht vergessen, bis Agnes wortlos die gesamte Arbeit übernommen hatte. Es machte nicht den Eindruck, als sei es ihrer Tochter überhaupt aufgefallen. Agnes ahnte, dass sie auf etwas wartete. Doch wenn sie sie fragte, ob sie darauf wartete, dass Wenzel sich wieder meldete (er hatte die Familie seit dem fatalen Gespräch in Andrejs Haus gemieden), schüttelte sie den Kopf. Die gleiche Erwiderung kam auf die Frage nach der Abreise Sebastians, außer dass dann ein Schatten so unverhohlenen Hasses über ihre feinen Züge huschte, dass Agnes nicht anders konnte, als diesen Hass mit zu spüren. Schließlich hatte Agnes nach Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz gefragt. Alexandra hatte sie nur verächtlich angesehen und war aus dem Zimmer gegangen.
    Wenn Sebastian unterwegs war, suchte sie zusammen mit dem Oberbuchhalter Adam Augustýn dessen Behausung auf und aktualisierte die Geschäftsbücher. Sie hasste sich selbst für diese verstohlenen Gänge, doch sie ahnte, dass Sebastian nichts unternehmen würde, solange er die Bücher der Firma nicht in seinen Besitz gebracht hatte, und sie hätte noch Verächtlicheres getan, um sie ihm vorzuenthalten. Wenn man es recht bedachte, war sie eine Gefangene in ihrem eigenen Haus, mit einer Tochter, die sie nicht verstand, einer kranken, alten

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