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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Frau, die im Wahn brabbelte, und zwei Söhnen, um die sie sich hätte mehr kümmern müssen, damit sie sie nicht auch noch verlor. Und jedes Geräusch, jeder Schritt hallte wie in der Leere eines verlassenen Kirchenschiffs, auch wenn noch so viele Menschen in der Nähe waren, weil die Leere in ihrem Herzen war und nur von dem einen Menschen gefüllt werden konnte, der nie mehr zurückkehren würde.
    Ich komme immer wieder zu dir zurück.
    Du hast mich angelogen, Cyprian.
    Sie hörte sein Schweigen – das beredte Schweigen, in das er immer verfallen war, wenn er gewollt hatte, dass man von selbst auf etwas kam, oder wenn man gerade etwas ausnehmend Dummes gesagt hatte – ebenso in ihrem Innern wie seine Stimme.
    Cyprian.
    In der Stille des nachmittäglichen Zimmers mit der ihrem Tod entgegenschlafenden alten Frau in ihrem Bett versuchte sie, seinen Namen laut zu sagen. Es gelang ihr nicht. Sie seufzte und betrachtete das Gesicht in den Kissen, das ihr bis zu ihrem Erwachsenwerden täglich näher gewesen war als das ihrer Mutter. Sie wusste aus Erfahrung, dass Leona bis zur Dämmerung schlafen würde. Das Sonnenlicht warf ein langes helles Rechteck auf den Boden. Agnes trat zum Fenster und sah hinaus. Der Frühling ließ die Dächer Prags glänzen, als wären sie wirklich aus Gold und jeder Pflasterstein ein Diamant. Es tat weh, dass man die Schönheit sehen konnte, obwohl in einem selbst nichts als graue Asche war.
    Draußen auf dem Gang hörte sie die Stimmen aus dem Kontor empordringen. Sebastians Quieken war dazwischen zu hören. Sie hatte den Buchhaltern und Schreibern nicht befohlen, Sebastians Bemühungen zu sabotieren, aus der Furcht heraus, ihn so weit zu verärgern, dass er die Aufmerksamkeit des Hofs auf die Familie zog. Die Männer taten es dennoch mit einem Trickreichtum, auf den sie selbst niemals gekommen wäre, und wirkten dabei so beflissen wie nur irgendwer. Sebastian dachte sicherlich, es mit einem Dutzend der ausgesuchtesten Kretins Prags zu tun zu haben. Schon aus diesem Grund durfte er niemals die Befehlsgewalt über das Unternehmen erhalten – er hätte die Männer sofort entlassen. Ab und zu konnten sie nicht anders, als geschäftliche Transaktionen, Verbindungen oder Vorfälle offenzulegen, doch es geschah selten genug. Sebastian Wilfing musste sich vorkommen wie ein Trüffelschwein, das im falschen Wald sucht. Nicht dass die passende Analogie Agnes doch noch zum Lächeln gebracht hätte.
    Der Gedanke, Sebastian gegenüberzutreten, war unerträglich. Genau genommen war er die Freundlichkeit in Person, was sie betraf. Sie kannte diese Freundlichkeit aus ihrem ersten gemeinsamen Aufenthalt in Prag, als die Firma »Wiegant & Wilfing« noch bestanden hatte. Sie fürchtete sie mehr als seine albern wirkenden Wutanfälle.
    Unschlüssig stand sie im Gang, dann wandte sie sich ab und betrat ihres und Cyprians Schlafzimmer. Ihr Schlafzimmer, korrigierte sie sich, wissend, dass es für immer ihr gemeinsames Zimmer sein würde. Sie konnte die Truhen zerhacken und das Bett aus dem Fenster werfen und die Wandvertäfelung herunterreißen und den Boden herausstemmen lassen und danach alles neu gestalten, und es würde doch ihr gemeinsames Zimmer bleiben. Sie hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, in einen der anderen Räume umzuziehen, aber es war ihr wie ein Verrat an Cyprian erschienen.
    Cyprian.
    Das Bett war groß und dunkel. Man wusste erst, dass man allein war, wenn man in einem Bett aufwachte, das Platz für einen zweiten Körper bot, und dieser Platz leer war. Man spürte erst, was Alleinsein bedeutete, wenn man in der Nacht aufwachte und die Mäuse in der Vertäfelung krabbeln hörte, weil das Atmen des Geliebten neben einem verstummt war und nun andere Geräusche die Oberhand bekamen. Sie schüttelte sich und wandte sich vom Bett ab.
    In der Ecke hing das Kruzifix, das sie wieder hatte aufhängen lassen, nachdem es so plötzlich heruntergefallen war, an dem Tag, an dem sie den Schritt Cyprians im Obergeschoss vernommen hatte, obwohl er nicht da gewesen war. Sie sah zu ihm auf. Es hatte einiger Überredung bedurft, um einen der abergläubischen Knechte aus dem Gesinde dazu zu bringen, die Christusfigur wieder am Kreuz anzubringen und das Kruzifix an der Wand zu befestigen. Sie hatte sich damals geweigert und weigerte sich auch jetzt zu glauben, dass irgendetwas, was mit Cyprian im Zusammenhang stand, und sei es die geisterhafte Nachricht von seinem Tod, ihr jemals schaden

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