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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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könnte.
    »Cyprian.«
    In der Einsamkeit des Schlafzimmers gelang es ihr, seinen Namen zu flüstern.
    »Ich habe dich so geliebt.«
    Der geschnitzte Erlöser sah mit seinem schmerzverzerrten Gesicht auf sie herab. Sie dachte nicht zum ersten Mal, dass sie sein Leid gern eingetauscht hätte gegen das in ihrer Seele.
    Kennst du die Geschichte von der Spinnerin am Kreuz?
    Cyprian?
    Unwillkürlich drehte sie sich um. Seine Stimme war so laut in ihrem Kopf gewesen, als hätte er neben ihr gestanden.
    Cyprian?
    Die Stimme in ihrem Kopf blieb stumm.
    Du würdest mir keine Angst machen wollen, oder?, fragte sie in Gedanken und fühlte sich gleich danach mehr beklommen als albern. Sie schüttelte das Gefühl ab. Die Toten kehrten nicht zurück, nicht einmal als Geister. Was das betraf, war Cyprian der größte Lügner aller Zeiten.
    Kennst du die Geschichte von der Spinnerin am Kreuz?
    Sie trat vom Kruzifix an der Wand zurück, bis ihre Beine an den Bettrahmen stießen. Unwillkürlich setzte sie sich.
    Erzähl sie mir, sagte sie.
    Die Spinnerin am Kreuz war die Braut eines Ritters aus Wien, der auf dem Zug nach Jerusalem verschollen war. Sie wartete auf ihn, Monat um Monat, an der großen Straßenkreuzung bei dem alten Holzkreuz sitzend, Wolle spinnend und zu Decken verarbeitend, die sie allen Heimkehrern vom Pilgerzug schenkte. Nach langer Wartezeit kam ein Waffengefährte ihres Liebsten und berichtete ihr, er sei vom Feind gefangen worden und wäre vermutlich mittlerweile bereits hingerichtet. Da hörte sie auf, Decken zu machen, fertigte sich stattdessen feste Kleider an, ließ sich von ihrem alten Diener ein Kettenhemd, einen Helm und ein Schwert kaufen und machte sich selbst auf den Weg, ihren Geliebten zu befreien. Sie schwor bei dem alten Holzkreuz, unter dem sie so lange gesessen hatte, dass sie nicht eher zurückkehren würde, als bis sie ihren Geliebten befreit hätte oder ihm in den Tod würde folgen können. Man hat von beiden nie wieder etwas gehört. Vielleicht ist er hingerichtet worden und sie bei der Überfahrt mit dem Schiff gekentert und ertrunken, aber vielleicht sucht sie ihn auch immer noch.
    Vielleicht, sagte sie.
    Ich persönlich , wiederholte Cyprians Stimme die Geschichte, die er ihr an dem Tag erzählt hatte, an dem ihr aufgegangen war, dass ihre Freundschaft sich zu etwas Größerem gewandelt hatte, ziehe es vor zu glauben, dass sie ihn gefunden hat und dass die beiden gemeinsam alt geworden sind.
    »Ja«, flüsterte sie. »Das hätte ich auch vorgezogen.«
    Zu ihrem eigenen Erstaunen kamen diesmal keine Tränen. Sie ließ sich auf dem Bett zurücksinken und schloss die Augen. Das Gefühl, dass sie nur die Hand auszustrecken brauchte und sie würde Cyprians Körper neben sich spüren, war so stark, dass sie sich nicht zu bewegen wagte, um den Traum nicht zu zerstören. Sie lächelte in die Stille des Raumes hinein. Es war, als stiege jedes einzelne Ereignis, das sie und Cyprian jemals gemeinsam erlebt hatten, wieder in ihrer Erinnerung hoch. Jedes einzelne Mal, an dem er ihr auf die eine oder andere Weise geholfen hatte, immer mit seinem ganz speziellen Gesichtsausdruck, als sei es nichts Besonderes, sondern als sei dies genau das, wozu er auf der Welt war. Jedes einzelne Mal, an dem sie seine tiefe innere Furcht gespürt hatte, sie zu verlieren, und ihn wortlos in den Arm genommen hatte, wissend, dass ihre scheinbare Abhängigkeit von seiner Findigkeit in Wahrheit nur die andere Seite ihrer Beziehung war. Dass sie ihm vonihrer ersten Begegnung an, als sie Kinder gewesen waren, das Gefühl gegeben hatte, etwas wert zu sein, während sein Vater nicht müde wurde, ihm das Gegenteil zu sagen. Dass er in Wirklichkeit sie brauchte, um der Mann zu sein, der er immer hatte sein wollen. Er hatte sie Dutzende von Malen aus irgendeiner Klemme gerettet oder eine Dummheit verhindert. Dagegen stand ihre Bereitschaft, diese Rettungsaktionen zuzulassen. Die Waagschalen waren gleich gefüllt.
    Ihr Lächeln verging, als ihr klar wurde, dass sie dies alles vergessen hatte. Seit der Nachricht von seinem Tod hatte sie sich verhalten, als sei sie tatsächlich von ihm abhängig gewesen. Ihr wurde kalt. Nicht er hatte sie verlassen, sie hatte in Wahrheit ihn verraten.
    Sie schwor bei dem alten Holzkreuz, unter dem sie so lange gesessen hatte, dass sie nicht eher zurückkehren würde, als bis sie ihren Geliebten befreit hätte oder ihm in den Tod würde folgen können.
    Damals hatte sie gedacht, er erzähle ihr die

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