Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
es sicherlich nicht, aber ihre Zungenspitze glitt unablässig über ihre Lippen. Polyxena löste sich von der Gräfin, und diese taumelte. Ihr Mund war rot verschmiert.
    »Wie heiß hat die Leidenschaft jemals in Ihnen gebrannt, Teuerste?« Die rauchige Stimme fuhr Filippo unter die Haut.
    »Das ist …«, begann Bibiana von Ruppa.
    »Ich …«, stotterte Susanna von Thurn.
    »Ich bin ein halbes Jahrhundert alt«, sagte die rauchige Stimme. »Wie alt sind Sie?«
    Filippo stand wie erstarrt. Er wusste nicht, weshalb die Frau in Weiß hätte lügen sollen. Er hatte sie auf Mitte dreißig geschätzt. Er war fassungslos. Vittoria war mit Anfang vierzig gestorben; selbst als sie noch gesund gewesen war, hatte sie nicht so jung ausgesehen wie die Herrin von Pernstein. Wie hatte … Was hatte … Ihm wurde kalt, als ihm der Grund dafür einfiel. Einige Blätter der Teufelsbibel enthielten Rezepte; jedes der Rezepte bestand im Wesentlichen aus hochgiftigen Bestandteilen. Der ständig zitternde, ständig wie ein Hund, der einmal zu viel getreten worden war, um sich blickende Mann mit der ausgemergelten Gestalt tauchte vor seinem inneren Auge auf, der ab und zu durch das Tor und in den Hauptbau der Burg huschte. Er hatte ihm einmal zugesehen, wie er einem Knecht einen verrenkten Finger wieder gerichtet hatte. Der Mann war ein Bader. Hatte Polyxena ihn beauftragt, die Rezepte auszuprobieren? Ein Schauer überlief Filippo, als er sich klarmachte, dass sie all seinen Studien der vergangenen Wochen zum Trotz wahrscheinlich mehr über den Codex wusste als er selbst.
    »Sechs… sechsundvierzig«, stammelte Susanna von Thurn.
    »Was ist Ihr Geheimnis?«, stieß Bibiana von Ruppa hervor.
    Die Frau in Weiß wandte sich um. Die Mönchsgestalten in der Ecke strafften sich. Mit einer Handbewegung sorgte sie dafür, dass sie wieder erstarrten. Filippo glaubte plötzlich zu wissen, wer sich unter den Kutten verbarg – zwei junge, stramme, frisch gewaschene Knechte, die für die beiden adligen Damen bereitstanden, das Thema Jugend und Leidenschaft zu vertiefen. Nicht umsonst war Filippo Albträumen wie dem von heute ausgeliefert; die Atmosphäre der Burg war förmlichaufgeladen mit zielgerichteter, manipulativer, erbarmungslos ausgenutzter Lust.
    Statt die beiden Vermummten vortreten zu lassen, zog Polyxena das Tuch von der Teufelsbibel. Die beiden Damen traten näher. Filippo wusste um die Anziehungskraft, die allein der Anblick des Buches auslöste. Es fiel ihm schwer, sich im Hintergrund zu halten. Sein Geschlecht hatte das Pochen schon gespürt, als er eingetreten war, nun breitete es sich in seinem ganzen Leib aus. Er konnte an den plötzlichen kleinen Bewegungen der beiden Frauen erkennen, dass es ihnen ähnlich erging. Sie wollten das Geheimnis von Schönheit und Jugend, das ihre Gastgeberin zu besitzen schien, erkunden und für sich selbst nutzen. Sie wünschten es sich mit aller Macht. Sie wussten es vielleicht selbst nicht, aber bereits jetzt waren sie so weit, dafür eine Sünde zu begehen.
    Das Buch hatte sie gefangen. Jeder hatte eine Schwäche, und die Teufelsbibel baute ihre Macht darauf.
    »Wollen Sie den wahren Glauben kennenlernen?«, flüsterte die rauchige Stimme.
    »Ja.« Zwei Stimmen klangen wie eine.
    »Wollen Sie dem wahren Glauben zur Macht verhelfen?«
    »Ja.«
    Die weiße Hand winkte die Mönchsgestalten näher. Filippo machte sich auf, um die Kapelle zu verlassen. Was immer jetzt kam, er wollte nicht Zeuge der Geschehnisse werden. Wie in Trance starrten Bibiana und Susanna die verhüllten Gestalten an, die durch das Kerzengeflimmer näher glitten. In weiten Ärmeln versteckte Hände hoben sich, um Kapuzen zurückzuschieben. Filippo hob die Beine, als müsste er sie aus zähem Schlamm ziehen, und streckte einen Arm nach der Tür aus, als befände er sich unter Wasser. Die Kapuzen sanken zurück und offenbarten zwei Frauen, deren Gesichter vor Schweiß glänzten. Auf den ersten Blick schienen sie beinahe junge Mädchen zu sein. Das Kerzenlicht glitzerte auf dem Schweißfilm und vertuschte Fältchen, färbte blond in die eine oder andere graue Strähne.
    »Uršula von Fels«, keuchte Bibiana von Ruppa.
    »Gräfin Anna-Katharina von Schlick«, stotterte Susanna von Thurn.
    »Sagen Sie es ihnen, meine Freundinnen«, wisperte die rauchige Stimme, die von überall her zu kommen schien. »Zeigen Sie ihnen den Weg zur Schönheit des wahren Glaubens.«
    Die grünen Augen der Herrin von Pernstein richteten sich auf

Weitere Kostenlose Bücher