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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Gefühl, die Kiefer verschließen zu müssen, weil sonst ein Gebrüll herausgekommen wäre, das von Hass erfüllt war und nicht von der Erkenntnis der göttlichen Macht. In seinen schlimmsten Momenten war er sicher, dass er etwas in seiner Seele pochen und flüstern hörte, das nichts Menschliches an sich hatte. Die Inschrift auf der Wand schien zu atmen.
    Vade retro, satanas.
    Es hatte ihm den Atem genommen, alle Zellenwände damit bedeckt zu sehen. Ein einziger Aufschrei, tausendmal wiederholt. Jesus Christus hatte ihn voll Zuversicht ausgesprochen. Hier kreischte die Verzweiflung aus jedem einzelnen Buchstaben. Abt Wolfgang hatte eine Woche in diesem stumm hallenden Gefängnis verbracht und sich mehr und mehr wie im Innern von Abt Martins Schädel gefühlt. Dann hatte er es nicht mehr ausgehalten und den Cellerar damit beauftragt, einen Handwerker zu finden.
    Vade retro, satanas.
    Wie nahe war der Verderber an Abt Martin herangekommen?
    Die Tür zu seiner Zelle flog auf und krachte an die Wand. Abt Wolfgang fuhr herum. Der Bruder Torhüter stand da, schwer atmend und kalkweiß.
    »Sie brechen das Tor auf!«, rief er.
    Der Halbkreis aus betenden und singenden Mönchen, den Abt Wolfgang direkt hinter dem Tor hatte Aufstellung nehmen lassen, sah ausgedünnt aus und keineswegs wie eine Wand aus Leibern, fest im Glauben, die sich der Ketzerhorde entgegenstellen würde. Ihre Psalmen hörten sich dünn an über dem Dröhnen, das die in ihren Aufhängungen schwingenden Torflügel verursachten. Die Meute schien sich dagegenzustemmen. Sie hatte keine Rammen zum Einsatz gebracht, sie wogte einfach nur dagegen. Wolfgang sah den trockenen Putz von den Stellen rieseln, an denen die Eisenbänder der Torscharniere vermauert waren. Die Torflügel schienen zu atmen, und für einen Augenblick nahm das grau gebleichte Holz die Farbe der See an, die in einem heftigen Sturm vor- und zurückwogte, der Frühlingshimmel über Iona dunkelblau, dramatisch, zerfurcht von Wolkenfetzen, die darüberjagten. Der Himmel über Braunau sah unschuldig aus, ein warmer böhmischer Apriltag mit langsam dahinsegelnden Wolkenkissen, musikalisch untermalt von wüstem Geschrei jenseits des Tores.
    »Katholische Heidenschweine!«
    »Wolfgang Selender – verrecke!«
    »Sankt Wenzel, erschlag sie alle!«
    Abt Wolfgang spürte die Blicke der Brüder auf sich. In einem Aufwallen unsäglichen Zorns bereute er, die Urkunde nicht vor aller Augen zerrissen zu haben, die sie ihm damals, im dritten Jahr seiner Amtszeit, erstmals unter die Nase gehalten hatten. Abt Martins krakelige Handschrift und Signatur waren darauf zu sehen gewesen, unter einem länglichen, von unterdrücktem Triumph triefenden Abschnitt, in dem der Bau einer protestantischen Kirche innerhalb der Stadtmauern gefordert wurde. Als wollten sie der Frechheit noch den Hohn aufsetzen, hatten sie ihren beabsichtigten Heidentempel dem böhmischen Patron Sankt Wenzel gewidmet. Martin hatte damals »… auf dem Markt der Stadt …« durchgestrichen und durch »… direkt beim Niedertor …« ersetzt; in seinem Wahn,den Bau überhaupt zu erwägen, war er dennoch klarsichtig genug gewesen, ihn nur am entgegengesetzten Ende der Stadt zu sanktionieren. Martin hatte die Urkunde niemals gesiegelt – der Tod war ihm zuvorgekommen. Ohne Siegel des Klosters aber war die Erlaubnis nichtig. Wolfgang hatte den Vorgang niemals nachgeholt. Über Jahre hinweg hatten die Ketzer jeweils am Todestag ihres verfluchten Doktor Luthers vorgesprochen und das Siegel verlangt. Wolfgang hatte es jedes Mal verweigert.
    Unter einem neuerlichen Ansturm gab das Tor fast nach, die Mönche wichen zurück, ihr Gesang geriet ins Stottern. Wolfgang war überzeugt, dass diese Situation schon vor Jahren entstanden wäre, wenn er die Urkunde gesiegelt hätte – sie hätten ihn dann nicht mehr gebraucht, und Urkunde war Urkunde und gab ihnen alles Recht, selbst wenn der Kaiser eine Abordnung nach Braunau geschickt hätte, um die Plünderung des Klosters und den Tod einiger Mönche (darunter zufälligerweise des Abtes) zu untersuchen. Die Torflügel ratterten und wackelten, das gequälte Holz knarrte.
    »Hängt die Brüder auf!«
    Einer der Mönche in der Reihe machte kehrt und rannte winselnd davon, in den Hauptbau hinein. Das Singen verstummte völlig. Wolfgang ballte die Fäuste und sprang zu der Lücke hinüber, die durch die Flucht des einen Mönchs entstanden war. Er packte die Hände der Brüder links und rechts von sich und

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