Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
kräftigen Schenkel seiner Gattin plötzlich um seinen Leib geschlossen hatten, als er sich von ihr hatte herunterrollen wollen.
»Und ich?«, hatte sie gefragt.
»Und Sie, meine Liebe?«, hatte Graf von Thurn ratlos geechot.
»Sie haben Ihr Vergnügen gehabt, mein Lieber. Nun bin ich an der Reihe!«
Woraufhin der Graf die Fersen seiner Gattin in seinen Hinterbacken verspürt hatte, als gebe sie einem Pferd die Sporen.
Nach mehreren Nächten derartig unpassender Aufforderungen hatte der Graf Gefallen an der Situation gefunden. Bislang war sein Vergnügen mit dem weiblichen Geschlecht – ob Gattin, Küchenmagd oder Hure – höchst einseitig gewesen, nämlich auf seiner Seite. Dass seine Frau nun forderte, ebenfalls Erfüllung im Akt zu finden, war so unerhört, so gegen alle Konvention, so sündig, dass es den Grafen blind erregte. Er hatte unlängst sogar ein Ständetreffen früher verlassen, um sich mit seiner Gattin in den Federn zu wälzen. So rollig war er nicht einmal gewesen, als er um seine Frau gefreit und dabei festgestellt hatte, wie willig eine ihrer Zofen war.
Ging es aus unerfindlichen Gründen den Herren von Ruppa, von Fels und Schlick ebenso? Man konnte das doch nicht fragen, jedenfalls nicht, wenn man nicht noch gröber gegen den guten Geschmack verstoßen wollte als Wilhelm von Lobkowicz!
Und man konnte schon gar nicht fragen, ob auch die Frauen der anderen Herren plötzlich angefangen hatten, sich zu verweigern, gerade als man festgestellt hatte, dass sie plötzlich Tricks beherrschten, die eine Hure im Bordell sonst nur gegen einen unverschämt hohen Lohn zu tun bereit war!
Statt Stöhnen und Ächzen und heftiger Applikation von Butter oder Schmalz an allen Körperstellen, an denen eine verminderte Reibung erhöhten Genuss bescherte, plötzlich Melancholie, Missmut und bohrende Fragen. Ob man nicht Manns genug sei, die Ständeversammlung endlich dahin gehend zu beeinflussen, dass sie etwas gegen den größenwahnsinnig gewordenen Ferdinand unternahm? Ob man nicht endlich das Anrecht auf Abwahl dieses Königs durchsetzen wolle, das man sich gesichert hatte? Ob man nicht endlich mit den Kompromissen Schluss machen und die verdammten Habsburger in die Schranken weisen wolle? Ob man der Meinung sei, dass ein stetes Tröpfeln aus einer offenen Wunde willkommener sei als ein einmaliger Bluterguss, der das Geschwür reinigte? Es konnte einem Mann schlaflose Nächte bescheren, vor allem, wenn man mit einem Pfahl zwischen den Beinen zu schlafen versuchte, der so dick war wie eine Fahnenstange, und die Lust verloren hatte, sich bei einer quietschenden Magd zu erleichtern, die mit hochgerecktem Hintern in der Küche stehen blieb und währenddessen das Gemüse schälte – wo man doch jetzt Qualität kennengelernt hatte!
»Wir hätten Ferdinand von Anfang an nicht als König zulassen dürfen«, ließ sich Albrecht Smiřický vernehmen, der vor einem Jahr als möglicher Gegenkandidat Ferdinands für die böhmische Krone gehandelt worden war und dem Vernehmen nach schon eine Neuanfertigung der Krone in Auftrag gegeben hatte – etwas voreilig, wie sich dann herausstellte. »Er ist ein Jesuitenzögling und vollkommen von ihren Ideen verseucht.«
Unausgeschlafen und unbefriedigt wie er war, der Tröstung eines leichten vormittäglichen Rauschs entzogen durch Wilhelm von Lobkowicz’ Knickerigkeit, fühlte Graf von Thurn Irritation in sich aufsteigen. Die Stimme Smiřickýs klang wie Hühnergackern in seinen Ohren. Der Gedanke verschaffte sich Raum, dass im Haus Zdenk von Lobkowicz’, des katholischen Reichskanzlers, und seiner Gattin wahrscheinlich auf die teuren Becher verzichtet worden wäre, dafür aber nicht auf erstklassigen Wein. Des Grafen Ärger vergrößerte sich noch. Katholiken! Papisten! Die Blutsauger besaßen einfach alles, sogar den besseren Wein! Und erst recht die schöneren Weiber. Er versuchte, sich das makellose Gesicht Polyxenas auf dem Körper seiner Frau vorzustellen, wie sie plötzlich denSchmalztiegel unter dem Bett hervorgeholt und eine Handvoll davon herausgeschöpft hatte, um dann … Er blinzelte. Um diese Vorstellung zum Leben zu erwecken, hätte es mehr als eines Krügleins Rheingauer bedurft. Abgesehen davon war es wahrscheinlich besser, wenn es nicht gelang, denn die Wirklichkeit der kommenden Nacht – Warum ist dies nicht …? Warum habt ihr Männer das nicht …? – würde mit der Phantasie nicht einmal im Ansatz Schritt halten können, und wo sollte man
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