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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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beraten. Sie war gar nicht so allein, wie sie gedacht hatte. Sie hatte eine kluge, entschlossene und mutige Tochter, und wenn je der Zeitpunkt gekommen war, an dem die Mutter sich auf die Stärke eines Kindes verlassen musste, dann war es jetzt.
    Überrascht starrte sie auf das leere Bett.
    »Du hältst dich für so schlau«, hörte sie Sebastians vor Wut dicke Stimme hinter sich. »Dabei weißt du gar nichts. Deine saubere Tochter hat sich davongemacht, mit der Bettlerin, die uns hier die Haare vom Kopf gefressen hat. Ich habe sie nicht aufgehalten.«
    Agnes drehte sich um. Sebastian, der zwei Schritte Abstand gehalten hatte, wich noch weiter zurück. Sie hatte den Eindruck, dass irgendwo jemand über sie und ihre pathetischen Versuche, über ihr Glück zu verhandeln, herzhaft lachte. Unvermittelt ahnte sie, wie ein Mensch sich fühlte, der sich von Gott abwandte, weil er sich aus dieser Richtung nichts mehr erhoffte. Sie ahnte, dass sie, wenn der Teufel plötzlich neben ihr gestanden wäre und ihr seine Bibel vor das Gesicht gehalten und gesagt hätte: Ich will dir deine Feinde in die Hand geben, wenn du niederfällst und mich anbetest!, der Verlockunggefolgt wäre. Es erschreckte sie noch mehr als die Erkenntnis, dass ihre Tochter sie im Stich gelassen hatte.
    »Das ist es, was du gewählt hast, statt mich zu nehmen!«, sagte Sebastian. »Das ist das, was du deine Familie nennst! Bist du stolz darauf?« Er spuckte auf den Boden.
    Tausend Erwiderungen gingen ihr durch den Kopf. Sie sprach keine davon aus. Sie ging in ihr Schlafzimmer, ließ die Tür hinter sich zufallen, setzte sich auf das Bett und gab sich ihrer Verzweiflung hin.
    10
    Graf Heinrich Matthias von Thurn hob den Trichterkrug hoch und schüttelte ihn vorsichtig. Es war kein Wein mehr drin. Er sah auf und geriet in Blickkontakt mit Wenzel von Ruppa, der ihn mit einem schiefen Lächeln beobachtet hatte. Ruppas Augen rollten zu dem fein behauenen Steinzeugkrug vor dessen Platz und dann wieder zurück zu Graf von Thurn, dann schüttelte er den Kopf. Der Graf seufzte – auch Herrn von Ruppa war der Wein ausgegangen. Er ließ die Blicke um den Tisch wandern. Die einflussreichsten Vertreter der protestantischen Stände waren zugegen: Neben Wenzel von Ruppa saßen dort Albrecht Smiřický, Alleinerbe des riesigen Familienvermögens und vermutlich Besitzer von zwei Dritteln des Landes in Böhmen, Graf Andreas von Schlick, der sich als überzeugter Protestant schon mit Kaiser Rudolf angelegt hatte und lange Zeit Ständesprecher gewesen war, und Colonna von Fels, ebenso wie Thurn deutscher Abstammung und einer der radikalsten Opponenten gegen die Habsburgerherrschaft.
    Das Treffen fand im Haus von Wilhelm von Lobkowicz statt, der insofern ein lebendes Beispiel für den herrschenden Zwist in Böhmen darstellte, als er der Vetter des Reichskanzlers war, aber ein gläubiger Protestant. Die Spaltung der Christenheit verlief nicht nur durch die nachrangigen Familien. Gleich waren sich die beiden verfeindeten Oberhäupter der Häuser Lobkowicz nur in ihrem Bemühen, als großzügige Gastgeber zu gelten. Ein Beispiel waren dieses Mal die Steinzeugkrüge, in denen Wilhelm von Lobkowicz den Wein hatte auftischen lassen. Ein Becher für jeden der Herren! Der Graf fragte sich, was das Zeug kosten mochte. Lobkowicz hatte betont beiläufig erwähnt, dass sie aus dem Herzogtum Württemberg stammten, was der korrekten Einhaltung der Ständepolitik entsprach, den Handel zwischen protestantischen Fürstentümern zu bevorzugen. Andererseits lag fast das ganze Reich zwischen Württemberg und Böhmen. Der Preis musste empfindlich gewesen sein.
    Und dann hatte das Geld ganz offensichtlich nicht mehr gereicht, um genügend Wein zu besorgen – oder vernünftigen. Rheingauer statt Tokajer! Auch darauf konnte man sich verlassen: Letzten Endes wusste Wilhelm von Lobkowicz nie, worauf es wirklich ankam.
    Der Gastgeber diskutierte lebhaft mit Graf Schlick. Der Graf sah angegriffen aus. Wenn man es genau nahm, wirkten auch Colonna von Fels, der ansonsten seinem Namen alle Ehre machte, und Wenzel von Ruppa blasser als sonst. Dies verwirrte Graf Thurn, vor allem, weil er wusste, dass es noch einen Vierten hier im Raum gab, der im Augenblick nur ein Schatten seiner selbst war: nämlich er. Es schien anzudeuten, dass eine Verbindung zwischen ihnen bestand, deren nähere Art der Graf sich nicht einmal in Gedanken vorstellen mochte.
    Was ihn betraf, hatte es damit angefangen, dass sich die

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