Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Gefängnis in Ordnung ist. Äh …«
Die Stadtknechte musterten ihren Scharführer fassungslos.
»Na gut«, sagte der Scharführer resigniert. »Na gut.«
»Haben Sie Kinder, Herr Oberst? Kleine, süße Kinder, dievertrauensvoll zu Ihnen aufblicken, weil sie wissen, dass ihr Vater ein gerechter Mann ist?«
»He, Sie!« Der Scharführer wandte sich ab und blaffte Sebastian an. Sebastian zuckte zusammen. »Sie haben doch gesagt, Sie sind der Herr hier im Haus, oder!?«
»Ja, ich meine … Das ist noch …«
Agnes nahm die Hände vom Gesicht. Sebastian wich ihrem Blick aus.
»Na also. Ich stelle die gnädige Frau unter Hausarrest. Sie sind dafür verantwortlich, dass es ihr gut geht. Und ihren Kindern!«
»Aber nicht doch!«, rief Sebastian und schloss dann hastig den Mund.
»Un’ dass se nich’ abhaut«, soufflierte einer der Stadtknechte seinem Vorgesetzten.
»Richtig. Sie haften mir auch dafür. Verstanden?«
»Aber …«
Der Scharführer richtete sich auf. Seine Männer wechselten die Griffe an ihren Waffen; es ergab ein äußerst entschlossenes, kriegerisches Geräusch.
»VERSTANDEN!?«
»Ja«, brummte Sebastian.
Der Scharführer wandte sich an Agnes und tippte erneut an die Krempe seines Huts. »Sehen Sie, gnädige Frau?«
Agnes beschloss, dass sie es nicht übertreiben wollte. Sie fiel dem Scharführer um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Gott wird Sie belohnen, Herr Oberst.«
»Schon gut, schon gut. Und … äh … Konstabler, gnädige Frau, nur Konstabler. Ihr da – Abmarsch! Höre ich jemanden gackern? Ich schleife euch, bis euch der Arsch abfällt! Entschuldigung, gnädige Frau.«
Agnes sah dem Abgang der Stadtknechte zu, bis sie um die Ecke gebogen waren. Dann schlüpfte sie an Sebastian vorbei ins Haus, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.
Auf dem Weg zu ihrer Schlafkammer wurde der Triumph, den sie eben errungen hatte, schal. Was hatte sie erreicht, außer dass sie das drohende Gefängnis mit dem komfortableren Käfig ihres Heims vertauscht hatte? Gefangene waren sie und die Kinder nach wie vor, den Verleumdungen des Mannes ausgeliefert, den sie selbst zu ihrem Kerkermeister bestimmt hatte. Aber sie hatte es nicht nur der Bequemlichkeit halber so eingefädelt oder aus Angst vor den tatsächlich katastrophalen Zuständen im Prager Kerker. In ihrem Kopf war der Hintergedanke gewesen, dass eine Flucht aus dem Gefängnis unmöglich war, eine Flucht aus ihrem eigenen Haus jedoch sehr wohl. Natürlich würde Sebastian sich alle Mühe geben, jeden ihrer Schritte zu überwachen, aber sie rechnete sich Chancen aus, ihn übertölpeln zu können.
Rede dir doch nichts ein, schalt sie sich selbst. Flucht? Wohin willst du denn fliehen? Oder wovor? Alles, was du hast, ist hier. Du solltest nicht fliehen, sondern darum kämpfen.
Die Wahrheit, antwortete sie sich müde, war, dass all das, was hier war, ihr wenig bedeutete, die Kinder ausgenommen. Das, was ihr Herz erfüllt hatte, war verloren: Cyprians Liebe. Und darum war es nicht der Fluchtgedanke, der sie bewegte, sondern der Gedanke an den Aufbruch in eine …
… Suche?
Wonach willst du suchen? Nach Überresten von Kleidern? Knochen? Wohin soll dich deine Reise führen? Bis zum Schwarzen Meer?
Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie nicht aufgeben durfte, solange sie nicht selbst vor dem unwiderlegbaren Beweis stand, dass Cyprian tot war. Sie schämte sich dafür, sich so dem Kummer hingegeben zu haben, dass der Zweifel keinen Platz mehr in ihrer Seele gefunden hatte.
Ohne es zu merken, war sie auf dem Treppenabsatz stehen geblieben. Die Tür, hinter der die kleine Kammer lag, in der sie Leona untergebracht hatte, war gleich die nächste. Siehatte sich kaum mehr um die alte Frau gekümmert und noch weniger um das Anliegen, das diese hierher geführt hatte. Die Suche nach Cyprian – oder nach dem Beweis seines Todes – war das Einzige, woran Agnes’ Hoffnung sich noch klammerte. Der Glaube, dass sie und Cyprian ihr helfen konnten, war die Hoffnung gewesen, an die Leona sich geklammert hatte. Agnes fühlte sich schlecht – und noch schlechter, als sie erkannte, dass ein Teil ihres Herzens bereits Verhandlungen zu führen begann: Gott, wenn ich Leona helfe, dann ist das eine gute Tat. Wirst du sie mir vergelten, indem du mir bei der Suche nach meiner verlorenen Liebe hilfst?
Sie drückte die Türklinke hinunter, plötzlich voller Tatendrang. Sie würde mit Leona sprechen und sich dann mit Alexandra
Weitere Kostenlose Bücher