Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Erfüllungsgehilfe!«
»Wozu bist du gekommen, Wolfgang? Wenn du dich daran erfreuen willst, wie tief ich gefallen bin, dann tu dir keinen Zwang an.«
»Ich werde in Rom Zeugnis gegen dich und deine Machenschaften ablegen.«
»Wieso in Rom?«
»Weil man dich dorthin bringen wird. Du sollst vor das Inquisitionsgericht gestellt werden.«
Melchior versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass die Ankündigung ihn beunruhigte.
»Ich glaube kaum, dass König Ferdinand den Heiligen Vater davon überzeugen kann, dass es Gott und die Kirche beleidigt, wenn man sich seiner Kriegstreiberei widersetzt.«
»Wir werden sehen, Melchior. Wir werden sehen!« Wolfgang schüttelte die Hände der Soldaten ab. »Lasst mich los! Ich mache mir an diesem Verräter nicht nochmals die Hände schmutzig.«
Die Soldaten ließen ihn los. Er stapfte hinaus, ohne den Kardinal oder die anderen noch eines Blickes zu würdigen. Melchior stand stockstill im Raum. Der Schlossverwalter räusperte sich. »Ich wusste es nicht …«, flüsterte er.
»Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung«, sagte Melchior mit erzwungener Gelassenheit.
»Aber trotzdem … dieser Angriff … hier …« Der Schlossverwalter bückte sich und raffte die verstreuten Dokumente zusammen. Er war damit eine Sekunde schneller als Melchior und der Leibdiener, die sich beide ebenfalls bückten, aber er merkte es nicht. Er reichte sie dem erstarrten Melchior. »Ihre Dokumente. Entschuldigen Sie …« Seine Stimme verlor sich, als sein Gehirn die Verlegenheit überwand und die Frage stellte, wo jemand, dem jeglicher Außenkontakt verboten war, diese Papiere herhaben konnte. Der Schlossverwalter starrte das unordentliche Bündel in seiner Hand an. Dann wanderte sein Blick zu den Überresten des Mahls. Der Fisch war in Reste zerfallen, die Schreibfeder und der Tintenstein lagen dazwischen. Die Säure des gebratenen Fischs hatte den Stein angegriffen und einen kleinen schwarzen Fleck auf dem Boden entstehen lassen. Langsam hob der Schlossverwalter die Augen und glotzte Melchior fassungslos an.
Melchior gab seinen Blick steinern zurück. Es war alles, was er tun konnte.
»O mein Gott«, sagte der Schlossverwalter. »O mein Gott!«
Er drehte sich auf dem Absatz herum und rannte mit dem Bündel hinaus. Die Soldaten wussten nicht, was sie tun sollten, und rannten ihm schließlich hinterher. Einen irrsinnigen Moment lang sah es so aus, als könnte der gefangene Kardinal einfach zur Tür hinausspazieren, dann kam einer der beiden wieder zurück und postierte sich breitbeinig darin. Es war der Mann aus Bayern; er sah aus, als wolle er Melchior mit Blicken erdolchen.
Melchior sah den Leibdiener an.
»Mischt«, sagte der.
Ungesehen von Kardinal Melchior Khlesl, ungesehen auch von Wolfgang Selender, der in der Kapelle des Schlosses kniete und ein von Hass und Verzweiflung ersticktes Gebet sprach, wechselte das Paket mit den Dokumenten im großen Saal des Schlosses die Hände.
»Ich schwöre, ich habe es nicht gewusst!«, stotterte der Schlossverwalter.
Der Mann, dem er das Paket gegeben hatte, blätterte durch die Dokumente. Er hielt inne. Seine Augen weiteten sich ungläubig. Er zog das Blatt heraus, das ihn hatte stutzen lassen – es war Kardinal Melchiors wirre Zeichnung eines Stammbaumes mit einer Unbekannten. Er nahm es zwischen die Zähne und blätterte weiter, fand das Sterbedatum, suchte wie der Kardinal nach dem Eintrag im Kirchenregister und fand ihn nicht. Sein Gesicht wurde grimmig. Er musterte den Schlossverwalter.
»Ich nehme natürlich die Verantwortung auf mich«, sagte der Schlossverwalter und unternahm einen missglückten Versuch strammzustehen.
Sein Gesprächspartner nahm das zwischen den Zähnen eingeklemmte Blatt heraus und legte es zu den anderen.
»Niemand darf wissen, dass ich diese Dokumente an mich genommen habe«, sagte er.
»Selbstverständlich«, sagte der Schlossverwalter. »Natürlich. Kein Problem. Ganz wie Sie wünschen, Reichskanzler Lobkowicz.«
3
Innerhalb von zwei Tagen hatte Alexandra die Stadien von Irritation, Unsicherheit, Beklommenheit und Furcht durchlaufen und war jetzt bei Wut angekommen. Sie verstand nicht, warum Heinrich in der ersten Nacht hier in Pernstein nicht zu ihr gekommen war. Sie war sicher, dass er es gewesen war, den sie vor der Tür gespürt hatte. Sie verstand noch weniger, warum er sie allein gelassen hatte – ohne Abschied, ohne Nachricht, ohne Erklärung. Sie liebte ihn, aber sie würde ihn zur
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