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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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war leer gewesen, wie man es um diese Jahreszeit nicht anders erwarten konnte, aber sie hatten einen geflochtenen Korb entdeckt und ein halbes Dutzend löcheriger und vermoderter Decken. Diese Gegenstände hatten Agnes auf die Idee gebracht, sich und Leona in die stinkenden Decken zu hüllen und den Korb zwischen sich in Richtung Burg zu schleppen, als hätten sie dort zu tun. Agnes hoffte, sich mithilfe dieser Tarnung ganz unbehelligt in der Burg umsehen zu können. Wenzel, der nicht ins Bild passte, hatte die Aufgabe, rund um die Burg nach eventuellen versteckten Eingängen zu suchen.
    Für gewöhnlich gab es dort, wo eine Burg stand, weit und breit keinen Wald. Die Bäume, die nicht als Baumaterial herhalten mussten, wurden gefällt, um einem Belagerer keine natürliche Deckung und kein Holz zu liefern, um Belagerungsmaschinen zu bauen. Außerdem brauchte eine Burg Nahrungsvorräte, und je näher der Burg diese angebaut wurden, desto einfacher konnten sie ans Ziel transportiert werden. Demzufolge waren Burgen in der Regel von weiten, baumlosen Feldern und Gemüsegärten umgeben, mit dem obligatorischen Obsthain als einziger Ausnahme.
    Pernstein, thronend über den Wipfeln wie sein eigener Berg, hatte vergessen, dass es diese Sicherheitsmaßnahmengab. Es fiel Wenzel nicht schwer, fast am Fuß der Mauern um die Burg herumzuschleichen und trotzdem immer Deckung zwischen Baumstämmen, in Dickichten und in einem Fall hinter einer halb zerfallenen Grottenkapelle zu finden, deren Gittertor schief in den Angeln hing und deren Madonna von Frost, Wasser und den Temperaturunterschieden zu einer amorphen Figur geworden war. Die Atmosphäre von Bedrückung und Angst lag auch hier über allem, und wo eigentlich das laute, wimmelnde Leben einer Burganlage mit Soldaten, Dienstpersonal und Besitzern hätte herrschen sollen, huschten nur hie und da Gestalten zwischen den Gebäuden umher, als wären sie Mäuse in einer von Katzen beherrschten Welt. Das Gelände fiel rundherum steil ab; an der Nordflanke des Burgfelsens, wo Wenzel sich jetzt befand, hatte sich ein Bachbett eingeschnitten. Selbst der Bach tief unter ihm sprang und sprudelte nicht, sondern kroch nur dahin. Sein Wasser roch faulig.
    Doch dann war es mit der Grabesruhe plötzlich vorbei. Wenzel, der sich um den Bergfried herummanövriert hatte und vor allem die Brücke im Auge behielt, von der aus man ihn hätte entdecken können, sah jemanden dort oben auftauchen und herumhantieren, gefolgt von einem Mann mit einer dunklen Soutane. Es schien einen kurzen Wortwechsel zu geben, dann geschah etwas, das Wenzel voller Entsetzen erstarren ließ und an dessen Ende der Mann mit der Priesterkleidung abstürzte und auf dem Steinboden vor dem Bergfried liegen blieb. Es war weniger der Schreck darüber, Zeuge dieses gewaltsamen Todes zu werden, als vielmehr die Erkenntnis, dass Alexandra mit dort oben war und, wie Vieh mit einem Strick um den Hals angebunden, auf der Brücke stand, die ihn noch immer zittern ließ. Er hatte gesehen, dass der abgestürzte Priester beinahe noch zwei andere Menschen mit in den Tod gerissen hätte; einer davon war Alexandra gewesen. Er hatte sich an ihrem Rock festgehalten! Dann hatten ihn augenscheinlich die Kräfte verlassen, und er hatte seinen Griff geöffnet und war gefallen. Wenzels Magen drehte sich um, wenn er daran dachte, dass eigentlich zwei Tote unterhalb der Brücke hätten liegen müssen: der Priester und Alexandra Khlesl.
    Seine Aufgabe, die Burg zu umrunden, war vergessen. Er hockte in seinem Versteck und wünschte sich, Alexandra dort oben ein Zeichen geben zu können. Er hoffte, dass Agnes und Leona, die Alexandra ebenfalls auf der Brücke sehen mussten, nicht die Nerven verloren. Am meisten hoffte er, dass alles gut ausgehen würde, und hielt sich wie ein Kind daran fest, dass nach all den schrecklichen Ereignissen, die sie hierher geführt hatten, das Blatt sich doch endlich wieder zugunsten der Familie wenden musste.
    Als Nächstes wurde er Zeuge, wie hektische Aktivität sich vor dem Bergfried entfaltete. Die meiste Zeit verdeckte die Flanke des Turms sein Sichtfeld, aber er roch den Rauch eines großen Feuers, das frisch entzündet worden war, und vernahm das Geklapper von Holzbalken, Brettern und Platten. Es hörte sich an, als würden Bänke und Tische für ein Bankett aufgebaut. Er war sicher, dass hier nichts gefeiert wurde, und fragte sich vergeblich, was vor dem Bergfried geschehen mochte. Er hätte zurückschleichen und

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